Hohes Tempo trotz Bremse

Die Schuldenbegrenzung könnte wirkungslos bleiben, weil die Koalition Ausnahmeregelung beschließt

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Von Hannes Koch

06. Feb. 2009 –

Die große Koalition hat ein Verfahren beschlossen, um die Staatsschulden zu verringern. Jede Generation soll ihre eigenen Schulden bezahlen und sie nicht an ihre Kinder weitergeben. Ob diese „Schuldenbremse“ allerdings jemals die erhoffte Wirkung erzielen wird, ist fraglich. Die Verhandlungsführer Peter Struck (SPD) und Günther Oettinger (CDU) räumten am Freitag ein, dass mehrere Punkte offen bleiben.


SPD-Fraktionschef Struck, Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück haben sich zwar auf strenge Regeln für die maximale Staatsverschuldung geeinigt. Der Bund soll ab 2011 nur noch Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts aufnehmen dürfen – auf heutiger Basis etwa neun Milliarden Euro. Die Bundesländer müssen ab 2020 ganz ohne neue Schulden auskommen. Allerdings wird es Ausnahmeregelungen geben, die jenseits dieser grundsätzlichen Einigung doch eine höhere Verschuldung ermöglichen.


Dem Staat soll erlaubt sein, mehr Kredite aufzunehmen, wenn es zu einer Naturkatastrophe oder einem Wirtschaftseinbruch kommt. Die Summe legen die Parlamente und der neue Stabilitätsrat fest, in dem der Bundesfinanzminister und die Länderfinanzminister sitzen. Die Höhe der Verschuldung bleibt damit eine politische Entscheidung – wie heute. „Eine Obergrenze für die Ausnahme-Schulden gibt es nicht“, sagte Oettinger.


Außerdem will die Föderalismuskommission, der Struck und Oettinger vorstehen, auch eine neue bindende Regel beschließen, um die konjunkturelle Zusatzverschuldung schnell wieder zu tilgen. Die zusätzlichen Kredite müssen im Laufe des „Konjunkturzyklus“ zurückgezahlt werden.


Was aber bedeutet „Konjunkturzyklus“? Ein Beispiel: Mitte 2008 begann ein starker Abschwung der Konjunktur, die Wirtschaftskrise setzte ein. Diese wird einige Jahre anhalten und schließlich in den nächsten Aufschwung übergehen. Danach, in fünf, sieben oder zehn Jahren, folgt eine weitere Rezession. Das Problem: Heute weiß niemand, wie lange der Zyklus dauert und welche Zusatzverschuldung angemessen ist. „Wir können jetzt nicht einschätzen, wie lange die gegenwärtige Krise anhält“, so Struck. Es besteht also die politische Möglichkeit, die Verschuldung so auszuweiten, dass sie bis zum Ende der Konjunkturperiode nicht getilgt wird.


Um dem entgegenzuwirken, beraten die Koalitionäre über ein so genanntes Konjunkturbeobachtungskonto. Im Nachhinein würden die Ausnahme-Schulden den einzelnen Perioden zugeordnet und mit der erlaubten Verschuldung verrechnet. Ob die Föderalismuskommission sich darauf einigt, ist freilich noch nicht klar.


Ökonomen debattieren währenddessen, ob dies schlimm ist oder nicht. Während der Sachverständigenrat der Bundesregierung die Verschuldung stark einschränken will, plädiert das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie dafür, im Notfall höhere Kredite zuzulassen. IMK-Chef Gustav Adolf Horn meint, dass der Staat sonst freiwillig auf Reaktionsmöglichkeiten gegen Wirtschaftskrisen verzichtete.

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