ICE-Achse brach bereits während der Fahrt

Materialprüfer gehen von Bruch auf der Strecke aus / Streit um Fehleranalyse / Kommt nun die Privatisierung „light“?

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Von Wolfgang Mulke

10. Nov. 2008 –

Die Achse des Kölner Unglücks-ICE ist bereits während der Anfahrt des Zuges aus Frankfurt geborsten. Das geht aus dem Zwischenbericht der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) hervor, der bereits seit September vorliegt, aber erst jetzt bekannt wurde. Spätestens bei der letzten Beschleunigung sei der Wellenbruch erfolgt, stellen die Gutachter fest. Eine genaue Ursache für den Schaden können die Experten noch nicht nennen. Derzeit untersucht das Amt eine Vergleichsachse, um den Grund für die Entgleisung auf die Spur zu kommen. Die Fahrgäste des im Juli entgleisten ICE Wolfsburg haben Glück gehabt. Auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen der Banken- und der Karnevalsmetropole beschleunigt der Schnellzug auf 300 Kilometer. Ein Unglück bei diesem Tempo wäre kaum ohne viele Todesopfer geblieben. So entgleiste der Zug kurz nach der Ausfahrt aus dem Kölner Bahnhof bei geringer Geschwindigkeit.

 

Bereits Ende September stellte die BAM einem kleinen Kreis die ersten Ergebnisse der Analyse vor. Dazu gehörten neben der Bahn das Eisenbahnbundesamt (EBA) und die Staatsanwaltschaft Köln, die bei der Spurensuche die Fäden in der Hand hält. Unter Verweis auf die Zuständigkeit wollen sich weder der Konzern noch die Kontrollbehörde zum Zwischenbericht äußern. Die Kölner Ermittler warten auf den Endbericht, für den noch weitere Untersuchungen erfolgen sollen.

 

Die Materialprüfer vermuten einen Ermüdungsbruch. Ein kleiner Riss, der nicht entdeckt wurde, führte danach letztlich zum „Restgewaltbruch“, wie es im Zwischenbericht heißt. Unter anderem könnten Materialfehler dazu geführt haben. Die Prüfer haben Einschlüsse gefunden, die größer sind als erlaubt. Entdeckt wurde der vorzeitige Verschleiß nicht einmal bei der letzten Sichtprüfung der Achsen zwei Tage vor dem Unfall. Mittlerweile sind zwei weitere Achsen mit Rissen gefunden worden. Der ICE-Verkehr bleibt noch einige Zeit beeinträchtigt, weil die Untersuchungsintervalle deutlich reduziert wurden. „Sicherheit ist das oberste Gebot“, betont Bahnchef Hartmut Mehdorn. So müssen die Hochgeschwindigkeitszüge alle 30.000 Kilometer zum Check in die Werkstatt, zehn Mal so häufig wie vor dem Unglück. Deshalb fehlen täglich rechnerisch 40 ICE auf der Strecke.

 

Die bereits bekannten Fakten lassen bei manchen Kritikern einen schweren Verdacht aufkommen. Der Konzern habe von den fachlichen Diskussionen um die Haltbarkeit des Materials gewusst und trotzdem die Prüfintervalle ausgeweitet, wirft der Grüne Verkehrsexperte Winfried Hermann dem Vorstand vor. „Die Bahn hat angesichts des Börsengangs das Maximale herausgeholt“, vermutet der Bundestagsabgeordnete. Alles was dabei störte, sei weggefegt worden. In der Bahnzentrale wird dieser Vorwurf scharf zurückgewiesen.

Am Potsdamer Platz wartet der Vorstand erst einmal den weiteren Verlauf der Untersuchungen ab. Derweil treibt Mehdorn das Projekt Teilprivatisierung erneut voran. Der Börsengang wurde zwar einstweilen abgesagt, weil die Finanzmarktkrise keinen ordentlichen Erlös ermöglicht. Doch nun zückt der Manager Plan B für die Zukunft des Unternehmens. Bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel will der Bahnchef der Regierung einen außerbörslichen Anteilsverkauf schmackhaft machen. Wenige private Großanleger sollen bei der Transport- und Logistiksparte des Konzerns einsteigen. Dafür kämen beispielsweise Staatsfonds in Betracht.

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