Im Eiltempo auf das Abstellgleis

Kahlschlag im Bahnvorstand nach Datenaffäre / Bespitzelung ging weiter als bekannt / Grube will Neuanfang starten

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Von Wolfgang Mulke

13. Mai. 2009 –

Personalchefin Margret Suckale, Logistikvorstand Norbert Bensel und der Leiter des politischen Ressorts, Otto Wiesheu, müssen gehen, weil die Missstände in ihren Verantwortungsbereich entstanden sind. Dazu gibt der frühere Gewerkschaftschef Norbert Hansen seine Spitzenposition bei der Bahn auf, aus anderem Grunde allerdings. Hansen ist auf lange Sicht krank.

 

„Wir wollen  einen endgültigen Schlussstrich unter die Affäre ziehen und einen Neuanfang“, sagt Müller. Zuvor hatte sich das Kontrollgremium mit den Abschlussberichten der Sonderprüfer zu den Spitzeleien befasst. Auf 190 Seiten belegen die Prüfer, dass innerhalb der Bahn ein kleiner Geheimdienst unkontrolliert schalten und walten konnte. Dabei verstießen die vorgeblichen Korruptionsermittler reihenweise gegen gesetzliche Bestimmungen. So beschafften sich Beschäftigte der Konzernrevision mit Hilfe einer Detektei illegal Daten von Korruptionsverdächtigen. Kontobewegungen wurden ausspioniert, steuerlich relevante Daten erschnüffelt oder Halterdaten von Autos ermittelt. Legal sind derlei Informationen nicht erhältlich.

 

Auch die Computer und der Mailverkehr der Beschäftigten wurden offenkundig systematisch erforscht. Fast 800 Bahnmitarbeiter haben Zugriffsrechte auf alle 60.000 PCs im Konzern. Sie können Dateien und Ordner kopieren, beim Surfen mitlesen oder Informationen aus der Ferne löschen, ohne dass der betroffene Nutzer dies weiß. Bis Mitte 2008 wurde zudem die gesamte elektronische Post nach über 500 Suchbegriffen durchforstet. “Es ist über Jahre großer Mist geschehen“, räumt Müller ein. Neben den Vorständen müssen deshalb auch aus der zweiten und dritten Reihe Leute gehen, darunter der bisherige Korruptionsbeauftragte Wolfgang Schaupensteiner und die Leiter der Revisions- und der Sicherheitsabteilung. Insgesamt prüft die Konzernspitze arbeitsrechtliche Schritte bei zwei Dutzend Beschäftigten.

 

Der neue Bahnchef Rüdiger Grube will nun eine neue Unternehmenskultur schaffen. „Die Konzernrevision wird direkt dem Vorstandsvorsitzenden zugeordnet“, kündigte Grube an, der für den Datenschutz und die Korruptionsbekämpfung ein eigenes Vorstandsressort einrichten will. Die Datenschutzstandards sollen auf ein hohes Niveau geführt und die gesamte Datenverarbeitung im Konzern neu geordnet werden. Von den Schnüffelaktionen betroffene Beschäftigte würden über Datenverstöße informiert. „Wo Unrecht geschehen ist, werden wir es wieder gutmachen“, verspricht Grube.

 

Die Sonderprüfer gehen mit den Zuständen bei der Bahn hart ins Gericht. „Die vorgefundenen Akten und Dokumente haben sich in einem beklagenswerten Zustand befunden“, heißt es im Bericht. Nahezu keiner der von Überwachungsmaßnahmen betroffenen Mitarbeiter sei bis heute darüber informiert worden. Und auch der Vorstand muss sich Kritik gefallen lassen. „Nachweise und Belege für die nötige Tiefe und Intensität der Aufklärung innerhalb der DB AG seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe im Sommer 2008 fehlen weitestgehend“. Auf gut deutsch: Der Vorstand wollte gar nichts wissen und aufklären.

 

Die Manager fallen weich. Da ihnen keine direkte Pflichtverletzung nachgewiesen werden kann, erhalten sie ihre Gehälter bis zum Ablauf ihres Vertrages. Schadenersatzforderungen gegen das Spitzenpersonal schließt der Aufsichtsrat ebenso aus, wie Regressansprüche gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn. In der zweiten Reihe könnte es dagegen für manchen Betreiber der Schnüffelaktionen eng werden. Viele strafrechtliche Vergehen sind zwar bereits verjährt. Doch in manchen Fällen könnte die Staatsanwaltschaft noch Täter vor Gericht bringen. Grube kündigte bereits an, dass die Prüfberichte an die Ermittlungsbehörden weiter gereicht werden.

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