Internationaler Austausch von Steuerdaten

50 Staaten unterzeichnen ein Abkommen zum automatischen Austausch von Kontoinformationen. Fortschritt gegen Steuerhinterziehung

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Von Hannes Koch

27. Okt. 2014 –

Ein schlichtes „Nein“ war noch vor wenigen Jahren oft die Antwort, wenn ein deutsches Finanzamt bei den Kollegen in Liechtenstein oder der Schweiz nachfragte. Über Auslandskonten von Bundesbürgern und dortige Zahlungseingänge waren keine Informationen zu bekommen. Die dadurch angeheizte Steuerhinterziehung wird nun dank eines neuen internationalen Abkommens zum guten Teil unmöglich.

 

Wirksam wird der Standard zum automatischen Austausch von Konto- und Steuerinformationen 2017. Rund 50 Staaten werden ihn am Mittwoch dieser Woche in Berlin unterschreiben, darunter so bekannte Steueroasen wie Liechtenstein und die Cayman-Inseln. Auch die Schweiz will sich anschließen. Die Europäische Union hat unlängst beschlossen, das Verfahren ebenfalls zu übernehmen. Österreich steigt 2018 ein.

 

Einmal pro Jahr werden die beteiligten Staaten dann Daten über Auslandskonten austauschen, die sie zuvor von den Banken bekommen haben. Ein Beispiel: Hat ein französischer Staatsbürger ein Konto bei der Deutschen Bank in Frankfurt/Main, schickt diese jährlich Namen, Adresse, Steueridentifikationsnummer, Kontostände und Geldflüsse an das Bundeszentralamt für Steuern. Dieses leitet die Angaben an die zuständige französische Stelle weiter, damit die Einkünfte dort versteuert werden. Umgekehrt erhalten deutsche Finanzämter automatisch die Informationen über deutsche Auslandskonten.

 

In Berliner Regierungskreisen ist man erfreut über den vergleichsweise schnellen Fortschritt in den vergangenen Jahren. Nachdem die Nationalstaaten jahrzehntelang ihre Steuergeheimnisse hüteten, haben der Anschlag auf das World Trade Center 2001 und die Finanzkrise seit 2007 vieles verändert. Allen voran die US-Regierung fordert Informationen über Konten, die möglicherweise der Terror-Finanzierung dienen. Weil er Milliarden Euro für die Bankenrettung ausgeben musste, hat auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ein gesteigertes Interesse, Steuerhinterziehern das Leben schwerer zu machen. 100 bis 200 Milliarden Euro gehen den Staaten jährlich durch internationale Steuervermeidung verloren, schätzt das Netzwerk für Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network). Davon könnte man viele Schulen bauen.

 

Das kritische Netzwerk betrachtet das neue Abkommen im Rahmen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) ebenfalls als großen Fortschritt. Und der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold, einer der Mitgründer des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, schreibt: „Ich beglückwünsche Finanzminister Wolfgang Schäuble zu diesem Erfolg.“ Allerdings weisen die Skeptiker auch auf die „Schlupflöcher“ im Abkommen hin, die es Reichen und ihren Unternehmen weiterhin ermöglichen könnten, Auslandskapital vor den heimischen Finanzämtern zu verbergen. Beispielsweise entfällt die Pflicht zum Datenaustausch für diejenigen Anteilseigner einer Steuerspar-Firma, die weniger als 25 Prozent besitzen. Solche Aufteilungen sind leicht zu bewerkstelligen.

 

Außerdem bleibt eine wesentliche Frage bisher unbeantwortet: Werden die USA unterschreiben? Zwar hat die Regierung in Washington den Prozess maßgeblich vorangebracht, indem sie das Schweizer Bankgeheimnis durchlöcherte und mit vielen Ländern ein eigenes Abkommen zum Datenaustausch abschloss. Doch Washington behält sich das Recht vor, den Austausch einseitig zu praktizieren: Man beansprucht viele Informationen aus anderen Staaten, gibt selbst aber nur wenige preis. Ein Hintergrund: Der US-Bundesstaat Delaware ist selbst eine der lukrativen Steueroasen.

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