• Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung(IAB) der
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Jetzt kommt die Krise

Obwohl es wieder aufwärts geht, droht Deutschland ein deutlicher Verlust an Arbeitsplätzen. Die Regierung kann dagegen wenig tun, glaubt der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung(IAB) der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit, J

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Von Wolfgang Mulke

25. Sep. 2009 –

Frage: Die Wirtschaft erholt sich wieder. Sie erwarten dennoch einen 
Anstieg der Arbeitslosenzahl um rund 650.000 im nächsten Jahr. Wie passt
das zusammen?



Joachim Möller: Der Einbruch der Produktion war zu dramatisch und ohne
Beispiel in der Bundesrepublik. Es grenzt fast an ein Wunder, dass wir
am Arbeitsmarkt bisher ohne große Blessuren davon gekommen sind. Die
innerbetriebliche Flexibilität hat bestens funktioniert und die Krise
hat zunächst die wirtschaftlich starke Exportindustrie getroffen. Die
Unternehmen konnten die erste Schockwelle noch abfedern. Doch es wird
lange dauern, bis die Produktion wieder den Stand des letzten Jahres
erreicht hat. Die Betriebe passen ihre Beschäftigtenzahl nun den
Gegebenheiten an. Außerdem gibt es vielfach einen Einstellungsstopp. Das
zieht auch eine steigende Arbeitslosenzahl nach sich.



Frage: Kann die nächste Bundesregierung etwas gegen diesen Anstieg tun?



Möller: Die amtierende Regierung hat sehr viel getan. Die
Konjunkturprogramme entfalten ihre Wirkung größtenteils erst noch. Die
Kurzarbeiterregelung hat sich glänzend bewährt. Doch das Instrument
Kurzarbeit kann kaum noch attraktiver gestaltet werden und der
finanzielle Spielraum für weitere Konjunkturprogramme ist ausgereizt.
Die künftige Arbeitsmarktpolitik kann vor allem für die Qualifizierung
der Jobsuchenden sorgen und ihnen so zu besseren Einstellungschancen
verhelfen. Die Nachfrage nach Beschäftigung können Politiker jedoch nur
begrenzt stimulieren.



Frage: Im letzten Abschwung wurde eine geringe Flexibilität des
Arbeitsmarktes für die hohe Zahl der Jobsuchenden verantwortlich
gemacht. Spielen strukturelle Probleme gar keine Rolle mehr?



Möller: Der Arbeitsmarkt funktioniert deutlich besser als früher. Das
Fördern und Fordern zeigt Wirkung, wie sich an der zuletzt deutlich
gesunkenen Sockelarbeitslosigkeit zeigt. Es wäre heute viel schlimmer,
wenn es keine Reformen gegeben hätte.



Frage: Über einen Mindestlohn für alle wird zwischen den Parteien heftig
gestritten. Was kann die Wissenschaft dazu sagen?



Möller: Unsere Analyse des Baugewerbes hat gezeigt, das die Höhe des
Mindestlohnes hier entscheidend für den Erfolg ist. Bei geringen
Mindestlöhnen kann es teilweise sogar mehr Stellen geben. Das Beispiel
England zeigt keinen Einfluss der Lohnuntergrenze auf den
Beschäftigungsstand. Ein vernünftig angelegter Mindestlohn führt nicht
in ein Jobdesaster. Ob es regionale oder nach Branchen unterschiedliche
Mindestlöhne geben soll, kann die Forschung nicht abschließend
beantworten. Das ist letztlich eine politische Entscheidung.



Frage: Wie sehen die mittelfristigen Perspektiven für den Arbeitsmarkt
in Deutschland aus?



Möller: Wir werden mit der Krise noch über das kommende Jahr hinaus zu
tun haben. In den Betrieben hat sich ein Polster an Beschäftigung
aufgebaut. Viele Arbeitszeitkonten sind ins Minus gerutscht. Wenn es zum
Aufschwung kommt, werden erst diese Puffer aufgelöst, bevor es zu
Neueinstellungen kommt. Etwas Entlastung kommt von der Alterung der
Gesellschaft. Jährlich verlassen etwa 150.000 Arbeitnehmer mehr den
Arbeitsmarkt als Berufseinsteiger nachkommen.

 


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