Joghurtbecher zu Straßen

Ecopals recycelt Plastik für Fahrbahnen

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Von Björn Hartmann

03. Feb. 2023 –

Hunderttausende Kilometer Straßen durchziehen Deutschland. Viele, die besonders belastet sind, haben Risse und Spurrillen. Vor allem an Bushaltestellen bilden sich Dellen. Für stabileren Asphalt mischt die Industrie Kunststoff bei – bisher extra frisch angefertigt. Ein Berliner Unternehmen will jetzt Altplastik nutzen: Käseverpackungen und Joghurtbecher sollen Deutschlands Fahrbahnen verstärken.

Den Gründern von Ecopals geht es vor allem um jene Kunststoffe, die zwar in der Recyclingtonne landen, aber nicht verwertet werden können, weil sie aus mehreren Schichten unterschiedlichen Materials bestehen. Rund 30 Millionen Tonnen davon fallen jedes Jahr in Europa an. „In Deutschland werden Verbundkunststoffe nach der Entsorgung verbrannt“, sagt Gründer und Chef Maximilian Redwitz. „Aber das Material kann sinnvoller eingesetzt werden.“

Mehrschichtiges Plastik ist besonders in der Lebensmittelindustrie wichtig: Wurst und Käsescheiben sind zum Beispiel oft darin verpackt. Die Ware soll frisch bleiben, keine Flüssigkeit verlieren, die Verpackung bedruckt werden. Und stabil muss sie auch sein. Das Material lässt sich nur sehr aufwändig und teuer trennen. Energie daraus zu gewinnen ist billiger und einfacher. Aber da geht aus Sicht von Redwitz und seinem Team deutlich mehr.

Co-Gründer Jonas Varga hat gemeinsam mit Materialspezialisten des Fraunhofer Instituts für Chemische Technologie in Karlsruhe ein Verfahren für Ecopals entwickelt, das den Verbundkunststoff in neuen Rohstoff verwandelt. Das Material wird gewaschen, geschreddert, mit chemischen Zusätzen versehen. Das Ergebnis ist ein geruchloses Granulat in rot, grau, braun, das in den Asphalt gemixt werden kann.

Auf den meisten deutschen Straßen bestehen die Fahrbahnen aus einem Gemisch von Asphalt, Gesteinsbröckchen, und Bitumen aus Rohöl als Klebemittel. Kunststoff zuzusetzen, hat einige Vorteile: Das Material klebt besser zusammen. Es hält niedrigere und höhere Temperaturen aus als klassisches Material. Weniger Risse entstehen, was auch weniger Schlaglöcher bedeutet. Insgesamt, heißt es beim Deutschen Asphaltverband, halte Asphalt mit Kunststoff länger. Verwendet wird er vor allem bei besonders belasteten Straßen. Autobahnen zum Beispiel, Bundesstraßen und an Bushaltestellen. Und bisher wird der Kunststoff extra für den Straßenbau neu aus Rohölprodukten hergestellt.

Rund 38 Millionen Tonnen Asphaltgemisch haben die gut 300 deutschen Mischwerke 2021 hergestellt. Das Statistische Bundesamt nennt einen Wert von rund 871 Millionen Euro. Die Zahlen für 2022 sind noch nicht bekannt, im ersten Halbjahr deutete sich bereits ein Wachstum an. Nicht in allen Gemischen ist Kunststoffzugesetzt, aber der Markt für Ecopals ist doch recht groß, die Konkurrenz übersichtlich. Europaweit arbeitet noch ein schottisches Unternehmen mit dem Altplastik-zu-Straßen-Konzept.

Gestartet ist das Unternehmen Anfang 2020, offiziell gegründet haben Redwitz und Varga im Juli 2021. Der Berliner Senat finanzierte Stipendien. Inzwischen haben Investoren mehr als zwei Millionen Euro in Ecopals gesteckt. Die ersten zehn Tonnen des Granulats mischten sie in einer Garage im Berliner Stadtteil Zehlendorf selbst. 16 Freunde packten an einem Wochenende mit an. Ein Video zeigt auf Paletten gestapelte Säcke, einen orangefarbenen Betonmischer, in den Granulat geschaufelt wird. „Danach haben wir das Material zum Asphaltwerk gebracht“, sagt Redwitz. Es festigt Straßen in Aschaffenburg, Kiel und Potsdam.

Jetzt sind größere Mengen nötig. Ecopals fertigt nicht selbst, lizenziert sein Verfahren an Abfallfirmen, die den Verbundkunststoff ohnehin sammeln. „Ein modernes Entsorgungsunternehmen hat die Technologie, die nötig ist, um das Recyclinggranulat herzustellen“, sagt Redwitz. „Eventuell sind kleinere Investitionen nötig, aber die lohnen sich.“ Ein Vorteil: kurze Wege. Der Verbundkunststoff fällt regional an, die Asphaltmischwerke arbeiten auch regional.

Die Recycler sind offenbar interessiert. „Die Unternehmen sind schnell an uns herangetreten“, sagt Redwitz. Sie sparen das Geld für die Verbrennung des Kunststoffs. Zudem können sie bestimmte Recyclingquoten besser erfüllen, müssen keine Strafen bei Verstößen zahlen. Etwas zögerlicher sind offenbar die Straßenbauer. „Unsere Herausforderung ist, das Produkt in den doch eher konservativen Asphaltmarkt zu bekommen“, sagt Redwitz. Er ist aber zuversichtlich, vor allem, weil der Preis aus seiner Sicht stimmt. „Wir können Hochleistungsasphalt zum Preis von normalem Asphalt ohne Kunststoff anbieten. Und in der Branche gewinnt immer noch der günstigste Preis.“

Noch bauen die zwölf Mitarbeiter von Berlin aus das Deutschland-Geschäft aus. Aber auch anderswo wird Plastik gesammelt, werden Straßen gebaut. Redwitz und sein Team denken darüber nach, ihr Konzept auch in Spanien, der Schweiz und der Türkei anzubieten.

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