Kinderschutz: Kommt das Rauchverbot am Steuer?

Die Briten machen's vor, die Deutschen sollen nachziehen: Das wünschen sich nicht nur Ärzte und Krebsforscher. Doch der Widerstand aus den Reihen der Wirtschaft und der Politik ist groß.

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29. Okt. 2015 –

Auf diese Steilvorlage hat Ulrich Fegeler lange gewartet. Für ein Rauchverbot im Auto, wenn Kinder mitfahren, setzt sich der Kinder- und Jugendarzt schon seit Jahren ein. Er hat geforscht, Kinder aus Raucherhaushalten mit schwerer Bronchitis oder Asthma behandelt. Den Vorstoß der Briten hält er für längst überfällig. „Kinder inhalieren nicht nur Giftstoffe sondern auch viele andere Teilchen, beispielsweise Rußpartikel“, sagt Fegeler. „Selbst wenn man das Fenster öffnet, belegen Studien, dass sich die Schadstoffkonzentration kaum verringert“.


Was die Briten können, sollte auch in Deutschland möglich sein. Für den Arzt kam die Entscheidung schließlich nicht aus dem hohlen Bauch heraus, sondern ist wissenschaftlich gut belegt. Jetzt setzt Fegeler auf die deutschen Politiker. Denn bisher haben die bei dem Thema keine „besonders mutige Haltung“ gezeigt, sagt er. „Es wäre unklug von Deutschland, es den Engländern nicht nach zu tun.“


Als eine der ersten hat sich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), zum neuen britischen Gesetz zu Wort gemeldet. „Kinder sind dem gesundheitsschädigenden Qualm schutzlos ausgeliefert“, teilte Mortler mit. Dass bei dem Thema etwas getan werden muss, stützt die CSU-Politikerin auf eine Studie des Meinungsforschungsinstituts INSA. Demnach geben vier Prozent der Befragten zu, im Auto zu rauchen, wenn Kinder mitfahren. Je älter die Kinder sind, desto geringer ist die Hemmschwelle. Elf Prozent der Befragten lassen durchblicken, dass ihnen die gesundheitlichen Risiken nicht bekannt sind.


Das britische Gesetz findet Mortler gut. Auch für Deutschland kann sie sich eine solche Vorschrift vorstellen. Doch sie weiß, dass das hierzulande nicht einfach wird. Der Nichtraucherschutz wird von den Ländern geregelt. Zudem muss geprüft werden, ob es verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Schließlich gilt das Auto als Privatraum. Der Staat muss gravierende Gründe vorbringen, wenn er per Gesetz hier eingreifen will. Überhaupt ist völlig unklar, welches Ministerium zuständig ist. Steht der Jugendschutz im Mittelpunkt ist das Familienministerium am Zug. Geht es um Sicherheit im Straßenverkehr muss das Verkehrsministerium ran. Aber auch die Ressorts für Gesundheit, Verbraucher oder Wirtschaft könnten sich beteiligen.



Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, hätte nicht gedacht, dass er einem solchen „Eingriff in die Privatsphäre“ zustimmen würde. „Doch Selbstverpflichtungen greifen nicht“, sagt Binding. „Um die Gesundheit der Kinder zu schützen, brauchen wir ein Gesetz. Die Sucht setzt den Verstand aus.“ Obwohl seiner Meinung nach mindestens zwei Drittel aller Abgeordneten hinter einem solchen Gesetz stehen würden, bezweifelt er aber, dass es zustande kommt. „Die Tabaklobby war nicht erfolglos, das Gift zur Normalität zu machen“, sagt er. Ein Beispiel ist für ihn die Arbeitsstättenverordnung. Trotz Appellen von Ärzten oder Krebswissenschaftlern ist es bisher nicht gelungen, ein flächendeckendes Rauchverbot am Arbeitsplatz gesetzlich zu verankern. Er will demnächst an Mortler und die Minister im Kabinett schreiben, damit sie ein Rauchverbot im Auto per Gesetz vorantreiben.

Die Briten sind keineswegs Vorreiter beim gesetzlichen Schutz der Kinder vor dem Passivrauchen. Ein Rauchverbot im Auto gibt es bereits in Griechenland. Das Verbot gilt dort nur, wenn Kinder bis 12 Jahre mitfahren. Bis zu 1.500 Euro muss der Fahrer zahlen, wenn er erwischt wird. Auch in Frankreich hat sich die Regierung auf ein Rauchverbot im Auto verständigt. Noch ist das Gesetz nicht in Kraft. Knackpunkt ist für die Franzosen die Altersgrenze. Die Abgeordneten streiten darüber, ob das Verbot auch dann gilt, wenn Kinder über 12 Jahre mitfahren.

Noch bevor eine Gesetzesvorlage für Deutschland überhaupt geprüft werden kann, wiegelt Mortlers Parteikollegin aus der CDU ab. „Das Gesetz zum Rauchverbot im öffentlichen Leben hat sich durchgesetzt“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk. „Zu unserer freiheitlichen Grundordnung passt allerdings kein Verbot im privaten Bereich.“ Sie glaubt, dass alle Eltern wissen, dass das Rauchen in einem geschlossenen Raum für Kinder absolut schädlich ist. „Wer diese Schutzverantwortung nicht trägt, versündigt sich an der gesunden Entwicklung des eigenen Kindes“, sagt Michalk.


Ganz ähnlich sehen das die Grünen. Für Harald Terpe, Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik bei den Grünen im Bundestag, ist das Rauchverbot in Autos eine reine „Schaufensterforderung“, deren Umsetzung überhaupt nicht kontrolliert werden kann. „Wer in Anwesenheit seines Kindes im Auto raucht, wird dies wahrscheinlich auch in der Wohnung tun“, sagt Terpe.„Eltern, die sich der Gefahr des Passivrauchens für ihre Kinder nicht bewusst sind, müssen aufgeklärt werden.“ Er plädiert für mehr Präventionsmaßnahmen und ein strengeres Werbeverbot für Rauchwaren.


Gegenwind für ein Gesetz kommt auch von der Tabaklobby. Michael von Foerster, Hauptgeschäftsführer des Verbands der deutschen Rauchtabakindustrie, hält die Forderung für „völlig überzogen“. „Der Staat kann Eltern nicht bis in ihre persönliche Lebensweise hinein regulieren“, sagt von Foerster. Ein Verbot, dass sich praktisch von der Polizei nicht durchsetzen lasse, laufe ins Leere, verfehle den gewollten Erziehungseffekt und produziere nur gesetzliche Folgekosten. „Es sei unbestritten, dass man Kinder und Jugendliche schützen muss“, sagt von Foerster. Ein Rauchverbot im Auto sei allerdings der falsche Weg.


Nicht nur die Tabakindustrie zeigt sich unbeeindruckt. Auch Verkehrsexperten sehen keine Notwendigkeit, für ein Rauchverbot im Auto Druck zu machen. Es gebe kaum Sicherheitsbedenken zum Rauchen während der Fahrt. Das Anzünden einer Zigarette sorge im Vergleich zu anderen Tätigkeiten kaum für Ablenkung beim Autofahren, heißt es etwa beim ADAC. In der aktuellsten Ablenkungsstudie gehören Telefonieren und Tippen auf dem Smartphone, sowie die Suche nach der richtigen Route über das Navi-Gerät viel eher zu den Unfallursachen.


Statt mit einem Gesetz will es die Drogenbeauftragte Mortler erstmal mit mehr Prävention versuchen. Mit einer Informationskampagne will sie über die Gefahren des Tabakrauchs aufklären. „Der Griff zur Zigarette muss absolut Tabu sein, wenn Kinder mitfahren“, lässt ein Sprecher Mortlers ausrichten. „Die gesundheitlichen Gefahren sind einfach zu groß, als dass man den Raucherinnen und Rauchern ihre vermeintliche 'Freiheit' zugestehen dürfte.“

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