Kitas und Parken werden teurer

Wenn Schwarz-Gelb die Steuern senkt, steigt auch das Defizit der Städte. Ihr Ausweg: höhere Gebühren, mehr Schulden, weniger Baumaßnahmen

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Von Hannes Koch

28. Okt. 2009 –

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat kürzlich einen unerfreulichen Brief an „die lieben Gemeinderäte“ geschickt. „Die finanzielle Lage unserer Stadt hat sich innerhalb eines Jahres so dramatisch verschlechtert wie nie zuvor“, schreibt der Grüne an die Volksvertreter der baden-württembergischen Universitätsstadt. Nicht nur die Wirtschaftskrise schlägt durch – auch die umstrittenen Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung zur Senkung der Steuern machen Palmer Sorgen. „Diese Einnahmeausfälle kommen noch oben drauf“, sagte Palmer gegenüber dieser Zeitung.


Klar ist für den Oberbürgermeister: „Wir müssen neue Schulden aufnehmen“. Aber das wird nicht reichen. Er hat dem Gemeinderat außerdem vorgeschlagen, Abgaben und Gebühren für städtische Dienstleistungen anzuheben. Die Stadtverwaltung erwägt, die Grundsteuer für Immobilienbesitz, die Parkgebühren für Autos und auch die Beiträge für die Kindertagesstätten zu erhöhen.


Gerade am Beispiel der Kitagebühren lässt sich ablesen, welche Wirkung die Steuersenkungspolitik von Union und FDP in Berlin im Alltag der Bürger entfalten könnte. Sollte die neue Regierungskoalition den Kinderfreibetrag in der Einkommenssteuer wie geplant erhöhen, würden Familien, je nach Verdienst, mehrere Hundert Euro Steuern pro Jahr sparen. Einen guten Teil des zusätzlichen Geldes müssten die Eltern für höhere Kitagebühren wie in Tübingen freilich gleich wieder ausgeben. Bürgermeister Palmer denkt daran, nicht nur die Kitabeiträge für alle Kinder „linear“ zu erhöhen, sondern auch besonders wohlhabenden Familien einen zusätzlichen Beitrag abzuverlangen.


Die Stadtverwaltung der Uni-Stadt weiß schon jetzt, welche Löcher allgemeine Steuersenkungen in ihren Etat reißen. „Zehn Milliarden Euro weniger Einnahmen bundesweit bedeuten pro Jahr etwa 1,5 Millionen Euro weniger für Tübingen“, sagt die Erfahrung. In dieser Größenordnung dürfte sich die schwarzgelbe Steuerreform bewegen. Auch die meisten anderen Städte und Gemeinden Deutschlands rechnen mit erheblichen Engpässen. In Freiburg im Breisgau dürfte der Rückgang noch größer ausfallen als in Tübingen. Dort nimmt man an, dass pro Milliarde Euro Steuersenkung ein Verlust von rund einer Million im städtischen Haushalt zu Buche schlägt.


Im kommenden Jahr werden die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen insgesamt um rund 21 Milliarden Euro sinken. 14 Milliarden hat die große Koalition beschlossen. Etwa sieben Milliarden Euro kommen hinzu, wenn Schwarz-Gelb unter anderem den Kinderfreibetrag in der Einkommensteuer erhöht und die Körperschaftsteuer für Unternehmensgewinne reduziert. Nicht nur Ministerpräsidenten von unionsregierten Länder wie der saarländische Landeschef Peter Müller kritisieren diese Politik, sondern auch die Städteverbände bereiten sich auf intensive Lobbyarbeit vor. Auf „3,6 Milliarden Euro“ schätzt etwa Gerd Landsberg, der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, die Einnahmeausfälle zu Lasten seiner Mitglieder in 2010.


Deshalb sind auch Sparmaßnahmen bei Schwimmbädern, Kultur, Jugendarbeit, dem Neubau von Kindertagesstätten und der Renovierung von Schulen bereits programmiert. So werde die Erweiterung der Gebäude zu Ganztagsschulen schlicht länger dauern, sagt Torsten Albig (SPD), Oberbürgermeister der schleswig-holsteinischen Hafenstadt Kiel. Manche Schüler-Mensa werde nicht sofort, sondern erst in ein paar Jahren errichtet. „Das geht langsamer, weil uns die finanzielle Kraft fehlt“, so Albig.


Die Stadt Freiburg will wenigstens versuchen, den Ausbau der Kitas wie geplant zu bewerkstelligen. „Das ist ein Topthema für uns“, sagt Edith Lamersdorf, die Sprecherin der Stadtverwaltung. Aber auch in der Breisgau-Stadt ist man sich darüber im Klaren, dass man „die Finanzlücke 2010“ irgendwie „auffangen“ muss. Deshalb ist mit dem „zeitlichen Schieben von Investitionsmaßnahmen“ zu rechnen. Beispiele will Lamersdorf noch nicht nennen, potenziell betroffen sind aber Baumaßnahmen aller Art.


Auch in der CDU-regierten Stadt Fulda „läuten die Alarmglocken“, wie Oberbürgermeister Gerhard Möller sagt. „Steigt der Kinderfreibetrag oder sinkt die Körperschaftsteuer, sind wir sofort dabei“, so Möller. Er geht davon aus, dass man die Investitionen für „öffentliche Infrastruktur, für Straßen, Wege und Plätze in den kommenden Jahren strecken“ müsse. Die Überschüsse der vergangenen guten Jahre werden auch in Fulda nicht reichen, um die in Berlin produzierten Einnahmeausfälle zu kompensieren.

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