Kleine Krise
Kommentar
16. Jan. 2009 –
Vor gar nicht langer Zeit wurden die Landwirte noch als die Ölbarone des 21. Jahrhunderts angesehen. Die Bauern hatten anscheinend die freie Wahl, entweder durch die Produktion von immer teureren Nahrungsmitteln oder ebenfalls lukrativ vermarktbaren Energiepflanzen prächtig zu verdienen. Der Milchpreis stieg und die Proteste der Milchbauern ebbten ab. Zufriedene Gesichter allenthalben gab es auch deshalb auf der letzten Grünen Woche vor einem Jahr.
Doch wie in vielen anderen Branchen auch hat sich in kurzer Zeit der Wind gedreht. Der fallende Ölpreis und der ebenfalls aufgrund der Wirtschaftskrise nachlassende Verbrauch drücken die Erzeugerpreise für die Energiepflanzen. Der Abgang der Spekulanten aus den Rohstoffmärkten hat den Verfall noch beschleunigt. Zudem konnten sich die Landwirte weltweit über gute Ernten freuen. Das damit gestiegene Angebot an Nahrungsmitteln lässt die Preise purzeln.
Die Lage ist also zum Beginn der diesjährigen Grünen Woche nicht rosig. In den meisten Sparten besteht allerdings auch noch kein Grund zur Panik. Gegessen wird immer und deutsche Produkte sind weltweit gefragt. In Teilbereichen sieht das schon anders aus. Insbesondere die Milchbauern müssen wieder einmal kämpfen. Der rasante Preisverfall bringt viele kleine Betriebe erneut in Existenznot. Schon droht der Fachverband mit einem neuerlichen Lieferstreik. Doch diese Drohung stößt ins Leere. Mit dem ausreichenden Angebot auf dem Markt könnten die Molkereien ausbleibende Lieferungen locker ausgleichen. So lässt sich das Problem nicht lösen. Der mächtige Bauernverband will eine andere, eher Erfolg versprechende Lösung. Die vielen kleinen Molkereien sollen fusionieren und den großen Handelsketten mit ihrer enormen Einkaufsmacht durch Stärke auf der Seite der Verkäufer Paroli bieten. Einstweilen sollen neue Subventionen aus Brüssel die schlimmsten Folgen der aktuellen Entwicklung mindern. Angesichts der Milliarden für Banken und andere Branchen sind die Ausgaben für die Landwirte Kinkerlitzchen.
Vielleicht ist die kleine Krise der Bauern ein guter Moment zum Innehalten und Nachdenken. Was soll die Ernährungswirtschaft zukünftig leisten? Wie kann ein vernünftiges Nebeneinander von Energie- und Nahrungsmittelproduktion gewährleistet werden? Wie frei sollen die Märkte für diese am Ende immer existenziell wichtige Branche sein? Womöglich lassen sich aus den Verwerfungen der Finanzsektoren auch Rückschlüsse auf andere Sparten ziehen, zum Beispiel eine bewusste Planung des Flächenverbrauchs in der Welt oder eine Hinwendung zu heimischen Produkten, deren Standards kontrollierbar sind. Vielleicht liefern die Experten auf der Berliner Welternährungskonferenz in den kommenden Tagen ein paar Ansätze für die wichtige Diskussion um die Zukunft der Landwirtschaft in der globalen Wirtschaft.