Kleines Geld, groß investiert

Crowfunding-Plattformen bieten auch Investments in Immobilien oder Startups an. Die Stiftung Warentest hat die Bedingungen mit ernüchterndem Ergebnis überprüft. Die Anleger haben wenig Rechte.

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Von Wolfgang Mulke

23. Aug. 2017 –

Gut zwei Jahre lang soll das Pflegeheim im bayrischen Vierkirchen den Anlegern 5,5 Prozent Zins pro Anno einbringen. Das hört sich im Vergleich zu der Rendite beim Festgeld oder dem Sparbuch verlockend an. Ein Projektentwickler bietet diese Beteiligung an der Finanzierung auf der Crowdfunding-Plattform Exporo an. Rund 1,8 Millionen Euro soll der Ausbau des Heimes kosten. 641.000 Euro sind bereits zusammengekommen. Schon mit 500 Euro werden die Anleger hier zum Projektentwickler.

Crowdfunding findet zunehmend Anhänger. Über 87 Millionen Euro investierten die Bundesbürger in den ersten sieben Monaten dieses Jahres in Immobilien oder Startups, Energiefirmen oder kapitalbedürftige Unternehmen. Das entspricht einem Wachstum von 216 Prozent binnen eines Jahres. Diese Zahlen ermittelt regelmäßig der Brancheninformationsdienst Crowdfunding.de.

Das Wort bedeutet so viel wie eine Finanzierung im Schwarm. Viele Kleinanleger lassen sich von einem Projekt begeistern und geben etwas dazu. An Themen und Möglichkeiten mangelt es nicht. Die Palette reicht vom Spendensammeln über die Finanzierung einer Band, die im Studio eine CD aufnehmen möchte, bis hin zu großen Immobilien oder der Entwicklung einer Arznei. An letzteren Angeboten sollen die Anleger etwas verdienen. Mitunter rentiert sich der Einsatz prächtig, wie die Stiftung Warentest anhand eines Beispiels zeigt. 850.000 Euro gab der Schwarm an Bauherren in Köln. Das Projekt lief prima. Schon nach sieben Monaten wurden die Anleger ausbezahlt und erhielten alle Zinsen, die eigentlich in 15 Monaten auflaufen sollten. Aus den versprochenen fünf Prozent wurden so 11,6 Prozent Jahresrendite.

Die einen suchen Kapital für ihr Vorhaben, die anderen eine interessante Anlagemöglichkeit. Die Vermittlung zwischen beiden Seiten findet im Internet statt. Zahlreiche Crowdfunding-Plattformen bieten ihre Vermittlungsdienste an. Die Zeitschrift Finanztest nahm 22 der aktiven Renditeplattformen für die nächste Ausgabe genauer unter die Lupe und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis. „Die vertragliche Ausgestaltung ist für die Investoren eher nachteilig“, sagt der Projektleiter Simeon Gentscheff.

Das Beispiel einer Immobilienfinanzierung zeigt, woher dieses Manko rührt. Meist übernehmen Banken den Großteil der Finanzierung und nur der Rest wird bei privaten Anlegern eingesammelt. In diesen Fällen werden die Banken vorrangig bedient, wenn das Vorhaben schief geht. Sollte danach noch etwas in der Kasse übrig bleiben, werden die Crowdfunding-Forderungen auch bedient. Sollte.

Zudem seien die Vermittler hinsichtlich ihrer Kriterien für die Auswahl der Finanzierungsprojekte nicht sehr auskunftsfreudig, kritisiert Gentscheff. Exporo hat zum Beispiel immerhin ein eigenes Rating entwickelt. Wie es genau zustande kommt, verrät der Vermittler jedoch nicht. Und die jeweiligen Anbieter von Bauvorhaben müssen bei der Finanzaufsicht bis zu einem Volumen von 2,5 Millionen Euro nur ein Informationsblatt einreichen, nicht einen umfangreichen Prospekt wie bei Großprojekten. „Man muss sich das Projekt genau anschauen“, rät Gentscheff daher.

Michel Harms, Sprecher von Crowdfunding.de, hält die Plattformen aktuell für seriös. 40 aktive Vermittler zählt der Branchendienst derzeit. Doch er weist darauf hin, dass für den Erfolg oder Misserfolg beim Crowdfunding allein die Kapitalsuchenden sind. „Von daher gilt es bei einem Investment, vor allem auf den Emittenten zu schauen“, sagt Harms. Bei Immobilien mag die Einschätzung noch vergleichsweise leicht fallen, bei Startups ist das Risiko noch höher. „In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass bei Startups viele Pleiten zu erwarten sind“, erläutert Gentscheff. Jeder siebente Gründer, der sich über Crowfunding zwischen 2011 und 2016 Kapital beschafft hat, konnte sich mit seiner Geschäftsidee nicht durchsetzen. In diesen Fällen ist auch das Geld der Anleger in der Regel verloren. „Es besteht das Risiko eines Totalverlustes“, erläutert Harms. Geht es gut, springt auch schon mal richtig etwas für die Investoren heraus. Die Gründer der Firma Erdbär, die Obst- und Gemüsesnacks entwickelt haben, zahlten ihren Investoren das Vierfache ihres Einsatzes zurück, nachdem die Produkte gut bei den Kunden ankamen.

Dabei sein können Anleger schon ab einer Beteiligung von 100 Euro, zum Beispiel auf der größten Plattform für Gründungsfinanzierungen, Companisto. 70.000 Investoren haben sich hier zusammengefunden. 80 Projekte wurden bislang finanziert. Größtes Projekt dort ist derzeit die „Spielzeugkiste“. Die Idee der Gründer besteht darin, dass sich viele Eltern Spielzeug teilen können und sie dies organisieren. 2,1 Millionen Euro sollen zusammenkommen, fast 1,8 Millionen Euro haben 700 Investoren bereits zugesagt.

Um mitzumachen, müssen sich Interessenten in der Regel auf einer Plattform registrieren lassen. Üblich ist es, bei einer Beteiligung das Geld sofort zu überweisen. Kommt die gewünschte Gesamtsumme nicht zusammen, erhalten die Anleger ihr Geld umgehend zurück. Verbraucherschützer Gentscheff rät, den Einsatz lieber auf mehrere Projekte mit kleinen Summen zu verteilen, als alles auf eine Karte zu setzen. Und einen Totalausfall sollten mutige Investoren auch finanziell verkraften können.

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