Koalition beschließt Lohnuntergrenze für Zeitarbeiter

Die genaue Höhe wird Ende Januar festgelegt. Mindestlohn auch für Abfallwirtschaft, Wachdienste und andere Branchen. Rund 3,5 Millionen Beschäftigte sind abgesichert

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Von Hannes Koch

14. Jan. 2009 –

Viele Beschäftigte bei Zeitarbeitsfirmen können auf einen höheren Lohn hoffen. Nach einjähriger Debatte hat sich die große Koalition jetzt geeinigt, eine einheitliche Lohnuntergrenze für die Branche einzuführen. Den genauen Betrag wird Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) in Abstimmung mit dem Bundeskabinett wahrscheinlich Ende Januar festlegen.

 

Teil des Kompromisses zwischen Union und SPD ist es, dass die neue Lohnuntergrenze nicht „Mindestlohn“ genannt wird. Mit diesem haben CDU und CSU grundsätzliche Probleme, weil sie die Unabhängigkeit der Tarifpartner nicht einschränken wollen.

 

Nach Informationen dieser Zeitung aus dem Arbeitsministerium wird das Minimum bei sechs Euro für Ostdeutschland und sieben Euro für Westdeutschland liegen. Gegenwärtig hat der Christliche Gewerkschaftsbund mit dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) eine Untergrenze von 6,00 Euro (Ost) und 6,53 Euro (West) vereinbart. Der zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und den beiden anderen Zeitarbeitsverbänden BZA und IGZ ausgehandelte Tarif liegt darüber: Dort beträgt die Untergrenze 6,36 für den Osten und 7,31 Euro für den Westen.

 

Bundesarbeitsminister Scholz muss sich bei der neuen Lohnuntergrenze an den bestehenden Tarifverträgen orientieren. Nach eigener Einschätzung darf er einen Kompromiss finden, der zwischen den konkurrierenden Tarifverträgen liegt. Das bestreitet die Union. Deren sozialpolitischer Sprecher Ralf Brauksiepe sagt: „Es kann keine Lohnuntergrenze in der Mitte geben“. Der Tarifvertrag der Christlichen Gewerkschaften dürfe nicht „verdrängt“ werden. Der neue Basislohn werde keinesfalls höher liegen, als der Christen-Tarif, so Brauksiepe.

 

Nicht nur wegen dieser Meinungsverschiedenheiten ist unklar, wieviele Zeitarbeiter von der neuen Regelung profitieren und mehr Geld erhalten werden. Nach Angaben des DGB könnte ein Drittel der knapp 800.000 Zeitarbeiter von der Neuregelung profitieren. Dort beklagt man, dass der Christliche Gewerkschaftsbund (CGB) Haustarife abschließe, die noch weit unter dem Flächentarifvertrag lägen. Gunter Smits, der Chef des CGB, weist diese Vorwürfe zurück.

 

Legt Arbeitsminister Scholz schließlich einen Schwellenwert fest, darf kein Zeitarbeiter in Deutschland mehr schlechter bezahlt werden. Das gilt auch für Arbeitskäfte, die aus dem Ausland kommen, oder bei ausländischen Firmen in Deutschland arbeiten. Beschäftigte, die weniger verdienen, können vor dem Arbeitsgericht klagen. Dabei gibt es eine Ausnahme: Existiert in der Branche, in die eine Zeitarbeitsfirma ihre Leute entsendet, ein niedrigerer Tarif als in der Zeitarbeit selbst, so gilt der Branchentarif.

 

Während SPD und Union den Kompromiss jeweils als Erfolg der eigenen Seite verkaufen, dominiert bei den Verbänden die Skepsis. Die Arbeitgeberverbände begrüßen den Fortschritt der Verhandlungen, kritisieren aber, dass die Politik die Lohnuntergrenze festlegen solle. Der DGB befürchtet, dass der niedrige CGB-Tarif zum Maßstab wird.

 

Um die Lösung umsetzen, muss die Koalition das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ändern, das die Zeitarbeit regelt. Neben diesem Kompromiss haben sich die Koalitionäre am vergangenen Montag geeinigt, fünf weitere Branchen mit einem Mindestlohn auszustatten: Abfallwirtschaft, Sicherheitsdienste, Pflege, Großwäschereien und die Bergbauersatzleistungen. Zusammen mit der Bauwirtschaft und der Gebäudereinigung, die bereits einen Mindestlohn haben, kommen inklusive Zeitarbeit dann 3,5 Millionen Beschäftigte in den Genuss dieser Absicherung.

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