Kompromiss nach langem Ringen um den Insektenschutz

Landwirtschafts- und Umweltministerium haben sich über Verbote von Pflanzen- und Insektengiften geeinigt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Von Wolfgang Mulke

15. Feb. 2021 –

Warum ist der Insektenschutz so schwierig?

Die finanzielle Lage vieler landwirtschaftlicher Betriebe ist extrem angespannt. Weitere Einkommensverluste können sich viele Höfe nicht leisten. Wenn sie nun auf großen Flächen keine Pflanzenschutzmittel oder Insektengifte mehr einsetzen dürfen, könnte es genau dazu kommen. Deshalb pochen sie auf kooperative Lösungen, die ihre wirtschaftliche Lage berücksichtigen. Auf der anderen Seite hat das Insektensterben dramatische Ausmaße angenommen. Das liegt nicht nur am Einsatz der Gifte. Auch die Versiegelung von immer mehr Böden trägt beispielsweise dazu bei. Ohne Insekten kann der Mensch nicht überleben. So stehen sich Umweltschützer und große Teile Landwirtschaft in dieser Frage unversöhnlich gegenüber.

Was wir nun genau geregelt?

Das Paket setzt sich aus einer Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes und der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung zusammen. Es gibt mehrere zentrale Änderungen. So werden Biozide, also Schädlingsbekämpfungsmittel, in Naturschutzgebieten, Nationalparks oder geschützten Biotopen verboten. Unkrautbekämpfungsmittel und bestimmte Insektizide dürfen dort in Wäldern und bei Grünland nicht mehr eingesetzt werden. Für Acker gilt eine vierjährige Übergangsfrist. Streuobstwiesen, artenreiches Grünland und Trockenmauern unterliegen künftig dem Biotopschutz. Pflanzengifte dürfen nur im Mindestabstand von zehn Metern von Gewässern eingebracht werden. Wenn ein Grünstreifen vorhanden ist, verringert sich der Abstand auf fünf Meter.

Sterben nun noch mehr Höfe, wie es der Bauernverband befürchtet?

Seit Wochen protestieren Landwirte gegen das Verbot von Pestiziden und Herbiziden. „Dieses Gesetzespaket gefährdet die Existenzgrundlage vieler Bauernfamilien“, warnt Bauernpräsident Joachim Rukwied. Diese Gefahr sieht die Bundesregierung nach dem Kompromiss nicht mehr. So wurden zuletzt Vogelschutzgebiete vom Verbot ausgenommen. Auch gibt es Ausnahmen für Sonderkulturen. Dazu gehören Obst und Gemüse, aber auch Wein und die Saatgutzucht. Der Bauernverband will freiwillige Vereinbarungen nach dem Vorbild Niedersachsens und Baden-Württembergs. Wie stark die Neureglungen einzelne Betriebe treffen wird, hängt auch stark von der Förderung ab, die den Landwirten für den Erhalt der Artenvielfalt zugesprochen wird.

In einigen Bundesländern gibt es schon gemeinsame Vereinbarungen zwischen Landwirten, Umweltverbänden und Regierungen zum Insektenschutz. Bleiben diese weiter gültig?

Vor allem Niedersachen, Bayern und Baden-Württemberg haben unter dem Druck von Volksbegehren die freiwillige Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Umweltschützern vorangetrieben. Dieses kooperative Vorgehen kann weiter praktiziert werden. Die neuen Bundesregelungen gelten nur dort, wo noch gar nichts zum Insektenschutz geschehen ist. Generell wird das Bundeslandwirtschaftsministerium in vier Jahren einen Bericht über die Fortschritte vorlegen. Dann wird die Bundesregierung entscheiden, ob es die Zügel schärfer anziehen muss.

Stimmt es, dass das Pflanzengift Glyphosat jetzt verboten wird?

Das stimmt mit ein paar Einschränkungen. Verboten wird der Einsatz des Pflanzengifts in Gärten, auf Sportplätzen oder in Parks, sobald die Verordnung in Kraft tritt. Auch auf Äckern darf es in der Regel nicht mehr eingesetzt werden. Ausnahmen gelten für gefährdete Böden, etwa durch Erosion. Ein generelles Verbot tritt erst nach dem 31. Dezember 2023 in Kraft. An diesem Tag läuft die EU-Genehmigung für Glyphosat aus. Hier gibt es eine Kleine Hintertür für die weitere Verwendung. Sollte die EU die Erlaubnis verlängern, wäre Deutschland wohl an das europäische Recht gebunden. Allerdings lassen die zuständigen Ministerien durchblicken, dass dies kaum der Fall sein wird.

Warum geht der Bund gegen Lichtverschmutzung vor?

Licht ist nicht gleich Licht. Der Schein mancher Leuchten zieht besonders viele Insekten an. Wenn sie damit in Berührung kommen, sterben viele davon. Die Neuregelung soll diese Gefahr mindern. In geschützten Gebieten müssen dann Lichter gesetzt werden, die nicht so anziehend auf Insekten wirken. Das bedeutet nicht, dass zum Beispiel die Kommunen nun alle Straßenlaternen austauschen müssen. Nur wenn Leuchten ersetzt werden müssen, soll der Ersatz insektenfreundlich sein.

Ist das Gesamtpaket nach dem langen Streit nun wirklich in trockenen Tüchern?

Um den Kompromiss wurde lange gerungen. Erst die Vermittlung der Bundeskanzlerin brachte den Durchbruch. Beide Ministerien sprechen von einer fairen Lösung. Allerdings müssen sowohl das Gesetz als auch die Verordnung noch Hürden überwinden. Der Bundestag könnte das Naturschutzgesetz noch verändern. Der Bundesrat muss die Verordnung absegnen. Aus Reihen der Länder gab es in letzter Zeit parteiübergreifend viel Kritik an dem Vorhaben. Der Bund ist ihnen zuletzt weit entgegengekommen, sodass viele umstrittene Punkte praktisch Ländersache bleiben. Das könnte die Länder zur Zustimmung bewegen.

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