Konjunkturprogramme feiern Hochkonjunktur

Regierungen satteln bei Wirtschaftsförderung drauf / Alternative Forscher wollen 800 Milliarden Euro einsetzen

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Von Wolfgang Mulke

20. Nov. 2008 –

Die Angst vor einem weltweiten Abschwung beschert den Anhängern staatlicher Konjunkturprogramme erheblichen Zulauf. Nun will auch die EU mit insgesamt 130 Milliarden Euro die Wirtschaft ankurbeln. Ein Prozent des europäischen Bruttoinlandproduktes (BIP) sollen die Mitgliedsländer dafür aufbringen. Auf Deutschland entfallen demnach rund 25 Milliarden Euro. Zudem hatte die Bundesregierung kürzlich ein eigenes Hilfspaket auf die Beine gestellt. Mit einem Volumen von zwölf Milliarden Euro über mehrere Jahre verteilt fällt dieses aber eher schmal aus.

 

Rund um den Globus wollen sich Regierungen auf ähnliche Weise gegen den Abschwung stemmen. Die USA stellen bis zu 300 Milliarden Dollar bereit, China ist mit 470 Milliarden Dollar dabei, Japan mit 210 Milliarden Dollar.

 

Selbst Wirtschaftsforscher, die Konjunkturprogramme bisher ablehnten, haben die Fronten gewechselt. Die Wirtschaftsweisen der Bundesregierung gehörten zum Beispiel nie zu den Freunden der öffentlichen Finanzspritzen. Doch das Hilfspaket der Bundesregierung geht dem Sachverständigenrat nicht weit genug. Es müsse mehr in Bildung und Infrastruktur investiert werden, schrieben die Experten in ihrem Jahresgutachten.

 

Dies fordert auch die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Den gewerkschaftsnahen Ökonomen gehen alle bisherigen Überlegungen nicht weit genug. „Es spottet jeder Beschreibung“, sagt der Gelsenkirchener Professor Heinz-Josef Bontrup zum Regierungspaket. Es müsse geklotzt werden, nicht gekleckert. So fordert die Gruppe in einem Sondermemorandum annähernd 800 Milliarden Euro zusätzlich vom Staat. Zehn Jahre lang sollen je 75 Milliarden Euro von der öffentlichen Hand zusätzlich investiert werden. Mit dem Geld soll die Infrastruktur von den Schienenwegen bis zur Wasserversorgung in Ordnung gebracht werden. Die Forscher wollen mehr für Bildung und Gesundheit ausgeben.

 

Damit ist es für Bontrup noch nicht getan. Denn die alternativen Ökonomen haben in der schwachen Lohnentwicklung den wichtigsten Feind eines neuerlichen Aufschwungs ausgemacht. Schuld daran seien die Agenda 2010 und ihre Folgen. Immer mehr Arbeitnehmer würden im Niedriglohnsegment beschäftigt, der Rückgang der Arbeitslosigkeit nur Augenwischerei. Laut Bontrup gibt es mittlerweile zwar 1,8 Millionen Erwerbstätige mehr. Doch zugleich sind 900.000 Vollzeitstellen gestrichen worden. Leiharbeit, Teilzeitstellen, Minijobs und Ein-Euro-Tätigkeiten sind demnach der Grund für Jobwunder. Zudem sind die Arbeitnehmer bei der Verteilung des Wohlstands zuletzt fast leer ausgegangen. Das Volkseinkommen ist zwischen 2001 und 2007 um 266 Milliarden Euro angewachsen. Nicht einmal ein Viertel der Summe landete bei den Arbeitnehmern. Den Bärenanteil sicherten sich Unternehmen und Kapitaleigentümer. So blieb die Kaufkraft laut Memorandum schwach, in der Folge auch der Konsum. „Wir erwarten, dass jetzt endlich dagegen gesteuert wird“, sagte Bontrup. Die Forschergruppe plädiert für eine generelle Arbeitszeitverkürzung, die Anhebung der Regelsätze für das Arbeitslosengeld II um 150 Euro sowie ein öffentlich gefördertes Beschäftigungsprogramm. Zudem soll ein Mindestlohn von wenigstens 1.500 Euro eingeführt werden.

 

Um die Finanzierung macht sich Bontrup keine Sorgen. Nur ein kleiner Teil von 30 Milliarden Euro soll über neue Schulden finanziert werden. Den Rest wollen die alternativen Ökonomen von den Vermögenden und den Unternehmen fordern. Die Vermögenssteuer soll wieder eingeführt, die Erbschaftsteuer verdoppelt werden. Auch die Gewinnsteuer für Firmen will die Arbeitsgruppe anheben und auch die alten Spitzensteuersätze für Besserverdienende wieder einführen. Zusammen mit den Steuerrückflüssen aus dem Konjunkturprogramm bleibt nach dieser Rechnung unter dem Strich ein Plus in der Staatskasse.

 

 

 

 

 

 

 

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