Kosten für Ökostrom erledigen sich
Angesichts der hohen Strompreise diskutiert die Politik, die umstrittene EEG-Umlage komplett zu streichen. Alle Privathaushalte und die meisten Firmen profitierten. Für den Bundeshaushalt wäre das gar nicht so teuer, sagt Agora Energiewende.
04. Feb. 2022 –
Die Umlage für Öko-Strom in den Rechnungen der Privathaushalte und Unternehmen abzuschaffen, war schon lange geplant. Nun aber könnte es schnell gehen. In der Ampel-Koalition mehren sich die Stimmen, die das baldige Ende der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Umlage) befürworten. FDP-Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sind dafür. Auch CDU-Energiepolitiker Andreas Jung findet die Idee gut. Die Politik will damit eine Entlastung für die hohen Strompreise schaffen, die viele Haushalte empfindlich treffen.
Was ist die EEG-Umlage genau?
Lange Jahre war die Produktion von Elektrizität mit Windrädern und Solaranlagen deutlich teurer als beispielsweise in Kohle- und Gaskraftwerken. Damit die saubere Energieproduktion trotzdem eine ökonomische Chance hat und mehr Anlagen gebaut werden, erhalten deren Betreiber ihre Mehrkosten im Vergleich zu konventionellem Strom zurückerstattet. Das bezahlen alle Privathaushalte und die meisten Firmen als Teil ihrer Stromrechnungen. Unter anderem energieintensive Unternehmen müssen allerdings nur wenig beitragen, damit sie in der internationalen Konkurrenz nicht ins Hintertreffen geraten. Durch den technischen Fortschritt ist der Kostennachteil der Erneuerbaren mittlerweile jedoch stark geschrumpft. Manche Ökokraftwerke, besonders auf dem Meer, brauchen gar keine Zuschüsse mehr.
Was sparen Privathaushalte, wenn sie abgeschafft wird?
Während die EEG-Umlage im vergangenen Jahr noch bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde lag – etwa ein Fünftel der Gesamtkosten, wurde sie Anfang diesen Jahres auf 3,7 Cent verringert. Schaffte man sie komplett ab, sparte ein durchschnittlicher Privathaushalt mit beispielsweise 3.500 Kilowattstunden Stromverbrauch pro Jahr rund 130 Euro.
Welchen Vorteil haben Firmen?
Handwerksbetriebe oder mittelständische Maschinenbauer haben viel höhere Stromrechnungen als Privatleute. Beim Wegfall der Umlage kann die Ersparnis tausende oder zehntausende Euro jährlich betragen.
Sinkt dann die Stromrechnung?
Nicht unbedingt. Die Stromversorger sind grundsätzlich nicht verpflichtet eine geringere EEG-Umlage in Form eines sinkenden Preises an die Verbraucher weiterzugeben – wenngleich einige Elektrizitätsunternehmen solche Regelungen in ihren Verträgen haben. Für viele Kunden steigen deshalb dieses Jahr die Stromkosten, obwohl die Umlage gesunken ist. Auch trotz ihrer Abschaffung könnte das passieren. Die Versorger argumentieren dann, dass die Einkaufskosten für Strom stärker zunehmen, als die Reduktion der EEG-Umlage ausgleicht. Trostpflaster für die Verbraucher: Mit EEG-Umlage wären die Kosten noch höher. Allerdings kommt nun eine Debatte in Gang, dass die Politik die Stromlieferanten verpflichten solle, die Abschaffung der Umlage in jedem Fall an die Kunden weitergeben. Im Spiegel argumentierte der Würzburger Energierechtler Thorsten Müller in diese Richtung.
Wieviel kostet die Abschaffung den Staat?
Wenn nicht mehr die Stromkunden die höheren Ökokosten bezahlen, muss jemand anders ran: der Staat, konkret die Bundesregierung. Sie wird die Milliarden der EEG-Umlage künftig zum Beispiel aus ihrem Klima- und Transformationsfonds (KTF) aufbringen. Aber ist das nicht wahnsinnig teuer? „Gerade ist ein geeigneter Zeitpunkt, um die EEG-Umlage abzuschaffen“, sagte dazu Thorsten Lenck von der Organisation Agora Energiewende gegenüber dieser Zeitung, „durch die Preiskrise bei fossilen Energien sind selbst ältere Erneuerbaren-Anlagen häufig ohne Zuschüsse konkurrenzfähig“. Erklärung: Liegt der Börsenpreis fossiler Energie so hoch wie zur Zeit, ist die Produktion mit Windrädern und Solaranlagen nur wenig oder gar nicht teurer. Entsprechend geringere Zuschüsse brauchen sie. „Daher könnte ein Bundeszuschuss von wenigen Milliarden Euro für die Abschaffung der Umlage ausreichen“, so Lenck. Ein solcher Betrag sollte für den KTF kein Problem darstellen. Allerdings könnten sich die Kosten für den Staat in den kommenden Jahren wieder erhöhen, wenn die Börsenpreise für Strom sinken.
Welche Alternativen zur Anullierung der EEG-Umlage gäbe es?
Vorteil der Streichung: Sie kommt allen privaten und fast allen gewerblichen Elektrizitätskunden zugute. Darin liegt in den Augen manchen Betrachter aber ein Nachteil: Auch gut und sehr gut verdienende Privathaushalte profitieren, für die die steigenden Stromkosten vielleicht ärgerlich sind, aber keine finanzielle Hürde darstellen. So bemängelt die grüne Energiepolitikerin Ingrid Nestle, dass die komplette Abschaffung teuer und eine gezielte Hilfe für einkommensschwächere Privatleute besser sei. Denkbar wären höhere Zuschüsse für Strom an Wohngeldempfänger, Hartz-IV-Bezieher und weitere Geringverdiener. Auch das bereits diskutierte Energiegeld stellte eine Alternative oder Ergänzung dar: Jeder Haushalt erhielte eine gleich hohe Summe zur Entlastung – ärmere Personen damit relativ mehr als wohlhabende.