Kosten für Ökostrom steigen – aber nur leicht

6,35 Cent pro Kilowattstunde verbrauchten Stroms müssen Privathaushalte und Firmen 2016 zahlen – statt gegenwärtig 6,17 Cent. Insgesamt könnten die Elektrizitätspreise aber für viele Kunden stabil bleiben

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Von Hannes Koch

15. Okt. 2015 –

Die Kosten der Energiewende, die die Verbraucher tragen, werden 2016 leicht steigen. Pro Kilowattstunde verbrauchten Stroms müssen die Privathaushalte und die meisten Firmen dann 6,35 Cent zahlen. Aktuell liegt der Wert bei 6,17 Cent. Das gaben die vier Betreiberfirmen des Höchstspannungsnetzes, Tennet, Amprion, 50Hertz und Transnet BW am Donnerstag bekannt.

 

Für einen sparsamen Privathaushalt, der 2.000 Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr verbraucht, steigen die Öko-Kosten damit um 30 Cent pro Monat oder 3,60 Euro im Jahr. Durchschnittliche Haushalte, die 3.500 kWh konsumieren, müssen 2016 monatlich rund 53 Cent mehr (6,30 Euro jährlich) entrichten.

 

Mit der auf dem Gesetz für die erneuerbaren Energien (EEG) basierenden Umlage tragen die Verbraucher einen Teil der Produktionskosten von Ökostrom in Wind-, Sonnen- und Biomasse-Kraftwerken. Die Umlage bildet einen Bestandteil des gesamten Strompreises, der nach Zahlen des Verbraucherportals Verivox gegenwärtig bei durchschnittlich 28 Cent pro kWh liegt. Wie sich der komplette Strompreis im kommenden Jahr entwickelt, ist derzeit noch nicht abzusehen.

 

Patrick Graichen, Chef des Thinktank Agora Energiewende in Berlin, sagte: „Wenn die Stromversorger ehrlich kalkulieren, können sie die Preise für die Stromkunden stabil halten.“ Verivox-Sprecher Florian Krüger war dagegen etwas skeptischer. Er hielt „regional unterschiedliche Entwicklungen“ für möglich. In manchen Gebieten Deutschlands könnten die Verbraucherpreise für elektrische Energie unverändert bleiben oder sinken, in anderen jedoch steigen.

 

Das hängt unter anderem mit den unterschiedlichen Kosten der regionalen Stromnetze zusammen. Dieser Posten macht etwa ein Viertel des Endpreises aus. Er steigt, wenn Netzbetreiber hohe Investitionen für neue Leitungen tätigen müssen. Krüger rechnete damit, dass das 2016 in einigen Regionen der Fall sein wird.

 

In die entgegengesetzte Richtung wirken die seit Jahren sinkenden Großhandelspreise für Strom. Alleine von September 2014 bis September 2015 haben die Börsenpreise um sieben Prozent nachgegeben. Hier spiegeln sich die günstigen Produktionskosten für Elektrizität in Kraftwerken. Der Preis für Kohle auf dem Weltmarkt ist niedrig, ebenso der für Emissionszertifikate, die die Stromproduzenten kaufen müssen. Preissenkend wirkt sich auch das steigende Angebot von Ökostrom vor allem aus Wind- und Sonnenanlagen aus.

 

Wie die verschiedenen Faktoren in den Strompreis eingehen, hängt von der Kalkulation der regionalen Stromanbieter ab. Manche geben die sinkenden Börsenpreise an ihre Kunden weiter, andere tun es nicht. Die Verbraucherzentralen empfehlen deshalb, die Tarife der Energieanbieter genau miteinander zu vergleichen und möglicherweise zu einem günstigeren Unternehmen zu wechseln.

 

Im Jahr 2015 ist der durchschnittliche Strompreis in Deutschland leicht gesunken. Verantwortlich dafür war neben den niedrigeren Produktionskosten für Energie ein leichter Rückgang bei der EEG-Umlage im Vergleich zu 2014. In den Jahren zuvor wuchsen die Öko-Kosten jedoch erheblich, alleine um etwa ein Cent von 2013 auf 2014. Wegen der zunehmenden Kritik entschloss sich die Bundesregierung damals zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. So wurden Fördersätze für Öko-Kraftwerke gekürzt und Maximalmengen für regenerativen Strom eingeführt. Dass die EEG-Umlage trotz des weiteren Zubaus von Windrotoren und Solarparks nun nicht mehr stark steigt, gilt der Bundesregierung als Erfolg der Reform.

 

Die grüne Energie-Expertin Julia Verlinden betonte dagegen, dass „der Anstieg der EEG-Umlage vermeidbar gewesen wäre“. Kritik äußerten auch Wirtschaftsverbände wie der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie, der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Bundesverband der Deutschen Industrie. Dessen Präsident Ulrich Grillo sagte: „Die hohe Belastung des Produktionsfaktors Strom gefährdet unsere Industrien.“ Die Großverbraucher unter den Produktionsunternehmen sind von der EEG-Umlage allerdings weitgehend befreit. Und viele Firmen profitieren von sinkenden Industriestromtarifen.

 

In den kommenden Jahren wird es wohl zu weiteren Anstiegen der Umlage kommen. Bis 2023 könnten die Ökostrom-Kosten insgesamt nochmal um ein bis zwei Cent wachsen, schätzt Agora Energiewende. Dann lägen sie bei gut 8 Cent pro Kilowattstunde. Ein Grund dafür sind die hohen Investitionen in die Windkraftanlagen auf Nord- und Ostsee.

 

„Dann aber ist der Scheitelpunkt überschritten“, sagte Agora-Chef Graichen. Zwischen 2023 und 2035 würden die Ökostrom-Kosten kontinuierlich sinken. Inflationsbereinigt sollen sie um zwei bis vier Cent abnehmen. „Unter dem Strich sollte elektrische Energie – bei einem Ökostrom-Anteil von dann 60 Prozent - für die Privatkunden im Jahr 2035 nicht mehr kosten als heute – es könnte auch billiger werden“, erklärte Graichen. Die günstige Entwicklung ab 2023 kommt daher, dass die alten, teuren Sonnen- und Windkraftwerke, mit der die Energiewende in Deutschland startete, aus der Förderung herausfallen. Die neuen Anlagen arbeiten wesentlich kostengünstiger und nehmen deshalb geringere Mittel aus der EEG-Umlage in Anspruch.

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