Kosten für Ökostrom steigen nur wenig

Nach der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bleibt die Umlage für die Privathaushalte mehr oder weniger stabil

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Von Hannes Koch

01. Sep. 2015 –

Gute Nachricht für die Stromkunden: Im kommenden Jahr bleiben die Kosten für Ökostrom im Wesentlichen stabil. „Die Umlage für die Erneuerbaren Energien wird 2016 nicht oder kaum steigen“, sagte Patrick Graichen, Chef der Organisation Agora Energiewende, gegenüber dieser Zeitung. „Darauf deuten die Zahlen hin, die wir mit unserem EEG-Rechner ermitteln.“

 

Offiziell bekanntgegeben wird die Höhe der EEG-Umlage am Strompreis von den Betreibern der Elektrizitätsnetze Mitte Oktober. Die Berliner Denkfabrik Agora beziffert diesen Anteil der Kosten vorab auf 6,2 bis 6,4 Cent pro Kilowattstunde für 2016. Im laufenden Jahr liegt er bei 6,17 Cent.

 

Für eine Kilowattstunde elektrischer Energie zahlen die Privathaushalte und meisten Firmen derzeit insgesamt durchschnittlich 28 bis 29 Cent. Nachdem der Gesamtpreis bereits in diesem Jahr gegenüber 2014 leicht zurückging, rechnet die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen auch 2016 mit sinkenden Strompreisen.

 

Die stark steigenden Kosten für Ökostrom hatten in den vergangenen Jahren für heftige Debatten gesorgt. Von 2013 auf 2014 war dieser Posten beispielsweise um ein Cent pro Kilowattstunde auf 6,2 Cent gesprungen. 2014 reformierte die Bundesregierung deshalb das Gesetz über die Erneuerbaren Energien (EEG). Unter anderem darauf war es zurückzuführen, dass die EEG-Umlage, die die Stromkunden als Teil ihrer Stromrechnung überweisen, 2015 erstmals geringer ausfiel.

 

„Für 2017 rechnen wir auf Basis der bisherigen Zahlen dann mit einem Anstieg der EEG-Umlage um etwa 0,6 Cent pro Kilowattstunde“, so der Agora-Chef. Bis 2023 könnten die Ökostrom-Kosten insgesamt nochmal um ein bis zwei Cent wachsen. Dann lägen sie bei gut 8 Cent pro Kilowattstunde. Ein Grund dafür sind die hohen Investitionen in die Windkraftanlagen auf Nord- und Ostsee.

 

Graichen: „Dann aber ist der Scheitelpunkt überschritten.“ Zwischen 2023 und 2035 würden die Ökostrom-Kosten kontinuierlich sinken. Inflationsbereinigt sollen sie um zwei bis vier Cent abnehmen. „Unter dem Strich sollte elektrische Energie – bei einem Ökostrom-Anteil von dann 60 Prozent - für die Privatkunden im Jahr 2035 nicht mehr kosten als heute – es könnte auch billiger werden“, erklärte der Agora-Chef. Die günstige Entwicklung ab 2023 kommt daher, dass die alten, teuren Sonnen- und Windkraftwerke, mit der die Energiewende in Deutschland startete, aus der Förderung herausfallen. Die neuen Anlagen arbeiten wesentlich kostengünstiger und nehmen deshalb geringere Mittel aus der EEG-Umlage in Anspruch.

 

Günstig entwickelt sich derzeit nicht nur der Öko-Anteil am Strompreis, sondern der Preis für Elektrizität insgesamt. Erstmals seit dem Jahr 2000 ist der Strompreis 2015 leicht gesunken – von durchschnittlich 29,1 auf 28,8 Cent. Das zeigen Zahlen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

 

Das Preisvergleichsportal Verivox bestätigt diese Angaben. Von 837 deutschen Grundversorgern für Strom hätten 60 Prozent ihre Endkundenpreise im ersten Halbjahr 2015 verringert, sagte Verivox-Sprecher Florian Krüger. Durchschnittlich 2,4 Prozent weniger zahlten die Privathaushalte.

 

„Und augenblicklich gibt es keine Hinweise auf einen Anstieg“, so Krüger. Die Energieexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Christina Wallraf, teilte diese Einschätzung: „Für 2016 rechnen wir in der Tendenz mit weiter leicht sinkenden Strompreisen.“

 

Gründe dafür sind, dass die Elektrizitätsfirmen den Strom an der Börse zur Zeit günstig einkaufen können. Das wiederum beruht auf den vergleichsweise niedrigen Rohstoffpreisen unter anderem für Erdgas. Hier schlagen sich das mässige Wachstum der Weltwirtschaft und das hohe Angebot an Energierohstoffen nieder. Zum niedrigen Preisniveau trägt auch die zunehmende Menge an Ökostrom bei, den vor allem Wind- und Sonnenkraftwerke in die Netze einspeisen.

 

Wenngleich die Zeichen aus Sicht der Verbraucher im Durchschnitt auf Entspannung stehen, entwickeln sich die Preise regional doch unterschiedlich. Das hängt unter anderem mit den Kosten für die Stromnetze zusammen, die nach lokalen Gegebenheiten variieren. Bei Netzbetreibern, die viel Geld in neue Leitungen investieren müssen, nehmen die Kosten zu. Netzkosten machen etwa ein Viertel des Endkundenpreises pro Kilowattstunde aus, die Produktionskosten der Elektrizität ein weiteres Viertel. Für rund die Hälfte des Preises pro Kilowattstunde ist der Staat verantwortlich – unter anderem mit Steuern und diversen Umlagen.

 

Klaus Müller, der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, forderte die Versorger auf, ihre Kunden an der vorteilhaften Preisentwicklung teilhaben zu lassen: „Wenn Öl- und Gaspreise sinken, müssen Verbraucher das auch im Portemonnaie merken. Es kann nicht sein, dass Unternehmen Verbraucher bei steigenden Kosten in die Pflicht nehmen, ihnen bei fallenden Kosten aber Preisvorteile vorenthalten.“

 

Verbraucherschützer wiesen die Privathaushalte daraufhin, dass sie der Preisgestaltung durch die Versorger nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Weil der Energiemarkt seit langem liberalisiert ist, können die Kunden immer zwischen mehreren Angeboten wählen. „Unser Rat an die Verbraucher: Vergleichen Sie die Preise und wechseln Sie gegebenfalls den Stromanbieter“, sagte VZ-Expertin Wallraf.

 

Die Lieferfirma zu wechseln, ist unproblematisch. Wer sich für einen anderen Versorger entschieden hat, schickt diesem den Auftrag für die künftige Stromlieferung. Um die Formalitäten der Kündigung und des Wechsels kümmert sich der neue Versorger.

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