Künftig mehr Biosprit im Tank
Wirtschaft und Politik verständigen sich über höheren Anteil an Biokraftstoff / Für 375.000 Autofahrer wird tanken dann teuer
21. Nov. 2007 –
Benzin und Diesel soll bald mehr Biosprit beigemischt werden. Darauf haben sie Industrie, Landwirtschaft und Bundesregierung verständigt. Erstmals haben alle Beteiligten konkrete Ziele vereinbart und in einer „Roadmap Biokraftstoffe“ festgelegt. Danach wird der Anteil von Bio-Ethanol im Benzin in den nächsten drei Jahren auf zehn Prozent verdoppelt. Das sei technisch problemlos machbar, teilte das Bundesumweltministerium am Mittwoch in Berlin mit. Beim Diesel ist die Marke von zehn Prozent schwerer zu erreichen. Für die Fahrzeughersteller seien sieben Prozent Biodieselanteil das äußerste, sagte der Chef des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann. Derzeit dürfen nur fünf Prozent Biosprit im Treibstoff enthalten sein. Um trotzdem das Ziel zu erreichen, werden zusätzlich zum Biodiesel verwendbare Pflanzenöle eingesetzt. Im kommenden Jahrzehnt soll der Anteil von Pflanzenenergie im Tank noch einmal verdoppelt werden.
Zum großen Hoffnungsträger werden dabei Produkte, die es noch gar nicht gibt. Die so genannte zweite Generation der Biokraftstoffe wird nach Angaben von Umweltminister Sigmar Gabriel Mitte des nächsten Jahrzehnts einsatzfähig sein. Bei dieser Technologie werden Pflanzenreste, zum Beispiel Stroh, in Raffinerien zu Kraftstoff umgewandelt. Experten versprechen sich viel von dieser Entwicklung. Laut VDA weist der synthetische Sprit viel bessere Eigenschaften auf als herkömmliche Biokraftstoffe. Außerdem wird ein großes Problem gemindert. Durch die hohen Ölpreise angetrieben werden immer mehr Felder mit Energiepflanzen bewirtschaftet. Fachleute befürchten daher eine zunehmende Konkurrenz zwischen der Produktion von Nahrungsmitteln und der von Biokraftstoffen. Da bei der zweiten Generation des klimaschonenden Sprits nur Pflanzenreste verwendet werden, erschließt sich eine beträchtliche Menge am benötigten Rohstoff, ohne dass dafür extra Flächen reserviert werden müssen. Landwirtschaftsminister Horst Seehofer hält die Sorgen vor einer Verknappung von Lebensmitteln und damit steigenden Preisen für unbegründet, weil die Erträge auf den genutzten Flächen ständig anwachsen. „Im kaum einem anderen Bereich schreitet die Produktivität so schnell voran wie in der Landwirtschaft“, betonte der Minister. Derzeit werden 13 Prozent der Anbaufläche für Energiepflanzen genutzt. Bis 2020 erwartet der Minister eine Steigerung auf rund ein Drittel der Fläche.
Zumindest die Besitzer älterer Autos sehen die Biooffensive für das Klima mit gemischten Gefühlen. Laut VDA vertragen rund 375.000 Autos in Deutschland die geplante Erhöhung der Beimischung nicht. Den Besitzern bleibt an der Zapfsäule nur der Griff zum teuren SuperPlus.
Bis die nächste Generation der Biokraftstoffe eingesetzt werden kann, setzt die Bundesregierung auf Bio-thanol und Biodieseln. Seehofer will die steuerliche Förderung für die Kraftstoffe gerne beibehalten, während das Finanzministerium den Steuernachlass um sechs Cent pro Liter kürzen will. Darum streiten beide Ministerien gerade. „Ich kämpfe darum, dass der Biokraftstoff wettbewerbsfähig bleibt“, betonte Seehofer. Vor allem pocht der Minister darauf, dass auch kleine und mittlere Produktionsanlagen in der Förderung bleiben. Sonst drohe die Gefahr von einigen wenigen Großanbietern, die sich keinen Wettbewerb leisten müssen.
Die Vereinbarung ist Teil der Strategie zum Klimaschutz. Die Bundesregierung will künftig auch für mehr Ehrlichkeit im Umgang mit den Zahlen zur CO2-Einsparung sorgen. Importe, etwa von Palmöl als Energieträger, sollen nur dann als emissionsmindernd gewertet werden, wenn die Pflanzen aus nachhaltigem Anbau stammen. Dazu sollen zum Beispiel Plantagen international zertifiziert werden. Zoff mit der Welthandelsorganisation nimmt Gabriel dafür in Kauf. „Wir wollen im Zweifel diesen Konflikt auch“, stellte der Minister klar.