„Laufzeiten von modernen AKW verlängern“

Thomas Krupke, Vorstandschef der Solarfirma Solon AG, fordert stärkere Anstrengungen gegen den Klimawandel. „Verschmutzung muss etwas kosten, Energie ist noch viel zu billig“

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Von Hannes Koch

13. Nov. 2008 –

Hannes Koch: Der chinesische Premierminister Wen Jiabao hat den Industriestaaten vorgeworfen, sie würden nicht genug gegen den Klimawandel tun. Hat er Recht?

 

Thomas Krupke: Ja. Deutschland hat zwar schon viel erreicht, doch die EU insgesamt und die USA tun zu wenig, um ihren Kohlendioxid-Ausstoß zu verringern.

 

Koch: Welches sind die Hindernisse?

 

Krupke: Seit 2006 spielt die globale Erwärmung des Klimas eine große Rolle in der Öffentlichkeit und der Politik. Nach jedem Aufbruch kommt allerdings eine Phase, in der es langsamer geht. Jetzt gibt es Auseinandersetzungen darüber, wer die Kosten tragen soll.

 

Koch: Ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien durch die Finanzkrise gefährdet?

 

Krupke: Bislang kann ich nicht sehen, dass dadurch Klimaprojekte verdrängt würden. Im Gegenteil: Ökoenergie ist ein sinnvolles Investment. Sie hat die Chance, gestärkt aus der Krise herzuvorgehen. Und zwar nicht nur in Deutschland.

 

Koch: Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?

 

Krupke: Barack Obama ist zum Präsidenten der USA gewählt worden. Deshalb wird Klimapolitik dort wichtiger. Das vergrößert den Markt für unsere Produkte. Und zweitens wissen die Banken, dass Investitionen in saubere Energie vergleichsweise sichere Projekte sind. In Deutschland haben wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Förderung des Ökostroms regelt und das Risiko der Kreditgeber deutlich reduziert.

 

Koch: Wird es im Zuge der Finanzkrise schwieriger, von den Banken Kredite zu bekommen?

 

Krupke: Laufende Projekte stehen nicht in Frage. Manche Institute wollen aber in diesem Jahr keine neuen Vorhaben mehr in Angriff nehmen.

 

Koch: Macht Ihnen diese Kreditklemme Probleme?

 

Krupke: Zur Zeit noch nicht richtig. Wir haben noch genug Aufträge abzuarbeiten.

 

Koch: Das 3. Quartal 2008 ist für die Solon AG gut gelaufen, allerdings nicht ganz so gut wie das 2. Vierteljahr. Rechnen Sie für 2009 mit einer weiteren Verlangsamung oder einer Rezession?

 

Krupke: Wir schreiben weiter schwarze Zahlen. Sonst würde ich hier nicht so ruhig sitzen. Nächstes Jahr könnte es aber eine Durststrecke geben. Irgendwann werden die Banken jedoch merken, dass sie ohne Kreditgeschäft nicht leben können.

 

Koch: Hinzu kommt, dass Spanien die Förderung für regenerative Energie massiv eingeschränkt hat.

 

Krupke: Keiner Firma geht es gut damit, auch Solon nicht. Dieses Jahr macht der Neubau von Solarkraftwerken in Spanien noch ein Drittel des Weltmarktes aus. 2009 könnte der Zubau dort um zwei Drittel sinken. Dieser negative Effekt wird verstärkt durch die Finanzierungsprobleme infolge der Finanzkrise.

 

Koch: Sie sagen: Die Bundesregierung sollte mehr unternehmen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Wo und wie genau?

 

Krupke: Das Erneuerbare-Energie-Gesetz sieht vor, dass die Förderung für Solarstrom jedes Jahr um acht bis zehn Prozent abnimmt. Das ist sehr sportlich.

 

Koch: Dadurch soll die Produktivität der Ökokraftwerke schnell steigen und die finanzielle Belastung sinken, die die Allgemeinheit trägt. Sie wünschen, dass die Bundesregierung diesen ökonomischen Druck reduziert?

 

Krupke: Auch ich will nicht ewig von öffentlicher Förderung leben. Wir haben das klare Ziel, die Kosten zu senken. Aber man muss darauf achten, was machbar ist. Die Preissteigerung bei Stahl, Kupfer und anderen Vorprodukten schränkt unsere Möglichkeit zur Kostensenkung stark ein.

 

Koch: Welche Verringerung der Förderung wäre Ihnen denn genehm?

 

Krupke: Ich will jetzt keine konkrete Zahl nennen. Zehn Prozent Degression pro Jahr sind auf die Dauer jedenfalls nicht machbar.

 

Koch: Aber gerade hat Solon in den USA ein Werk für die Produktion von Solarmodulen auch aus Dünnschicht-Zellen eröffnet. Damit lässt sich Ökostrom viel billiger herstellen.

 

Krupke: Solche Schritte bedeuten andererseits hohe Anlaufinvestitionen und Entwicklungskosten.

 

Koch: Angesichts der großzügigen Förderung durch die Allgemeinheit stehen Sie in der Verantwortung, sich anzustrengen.

 

Krupke: Das Wort „großzügig“ finde ich in diesem Zusammenhang spannend. Wir verdienen uns keine goldene Nase. Solon kommt auf eine Nettoumsatzrendite von vier Prozent. Das ist nicht großartig. Konventionelle Stromproduzenten wie E.ON erreichen mehr als das Doppelte.

 

Koch: Alle Stromverbraucher in Deutschland finanzieren via Förderung Ihr Geschäft mit. Darf man da nicht verlangen, dass Sie sich beeilen, konkurrenzfähig zu werden?

 

Krupke: Durchaus. Aber immer mit Blick auf die Realität. Öffentlichkeit und Politik fordern von unserer jungen Branche einen schnellen und nennenswerten Beitrag zur umweltfreundlichen Stromproduktion. Das ist nicht ohne Zuschüsse zu haben.

 

Koch: Eigentlich sollen ab 2012 alle Unternehmen, die Kohlendioxid ausstoßen, für die Verschmutzung bezahlen. Nun plant die Bundesregierung Ausnahmen für energieintensive Firmen. Ist das der richtige Weg?

 

Krupke: Man darf den Firmen und Kraftwerken die Verschmutzungsrechte nicht kostenlos zugestehen. Alle CO2-Zertifikate müssen etwas kosten und verkauft werden.

 

Koch: Dadurch würde die Produktion zu teuer, argumentieren Unternehmen wie Henkel und Bayer, die viel Strom brauchen und große Mengen CO2 ausstoßen.

 

Krupke: Energie ist hierzulande noch viel zu billig. Alleine für die überflüssigen Standby-Schaltungen, unter anderem an DVD-Playern und Computern, verschwenden wir in Deutschland soviel Strom, wie vier Kohlekraftwerke produzieren. Wenn wir es mit dem Schutz des Klimas ernst meinen, muss Energieverbrauch teurer werden.

 

Koch: Halten Sie es für sinnvoll, neue Kohlekraftwerke zu bauen – oder sollte Deutschland sowohl auf Atom-, als auch Kohlekraftwerke verzichten?

 

Krupke: Kohlekraftwerke sind der Klimakiller Nummer Eins. Deshalb brauchen wir vor allem an dieser Stelle eine Veränderung im Energiemix.

 

Koch: Stellen Sie den Atomausstieg in Frage?

 

Krupke: Nein, daran will ich nicht rütteln. Um den Bau neuer Kohlekraftwerke zu verhindern, wäre ich aber bereit, die Laufzeiten von modernen Atomkraftwerken zu verlängern. Die alten Anlagen sollte man wie geplant abschalten.

 

Koch: Sind Kohlekraftwerke gefährlicher als AKWs?

 

Krupke: Grundsätzlich halte ich die Atomenergie für sehr bedenklich. Für eine Übergangszeit erscheint mir eine Verlängerung der Laufzeit jedoch gerechtfertigt, soweit wir damit keine neuen Kohlekraftwerke bauen müssen.

 

Koch: Was kann die Solarenergie beitragen, um Atom- und Kohlestrom überflüssig zu machen?

 

Krupke: Bis 2050 könnte 25 Prozent des hier verbrauchten Stromes aus Solarkraftwerken stammen. Der Anteil der konventionellen Energierzeugung verringert sich entsprechend.

 

Koch: Welche Rolle spielt in Ihrer Vision die Sahara?

 

Krupke: An die Option der großflächigen Stromproduktion in der Wüste glaube ich nicht. Die Glasflächen der Module sind den Sandstürmen nicht gewachsen. Sie erblinden und der Ertrag mindert sich drastisch. Auch mit dem Export nach Europa wären Transportherausforderungen und Leitungsverluste verbunden, beispielsweise durch die Übertragung in Hochspannungsleitungen. Es ist viel sinnvoller, Solaranlagen dort zu bauen, wo der Strom gebraucht wird. Dann schafft man auch Arbeitsplätze im eigenen Land.

 

 

Thomas Krupke

(Jahrgang 1962) ist seit 2006 Vorstandschef des Solartechnik-Herstellers Solon AG mit Sitz in Berlin.

 

Solarindustrie

Trotz der beginnenden Rezession geht die Entwicklung der Solarbranche weiter aufwärts. In den ersten neun Monaten dieses Jahres steigerte die Berliner Solon AG ihren Umsatz um 91 Prozent auf 637 Millionen Euro. Die Zahl der Mitarbeiter stieg auf 891 (plus 37 Prozent). Solon stellt Solarmodule und Solarkraftwerke für die Stromerzeugung her. In Deutschland steht das Unternehmen gemessen am Umsatz auf Platz drei der größten Solarfirmen, in Europa ist es zur Zeit der größte Solarmodulhersteller. Auch die Solarhersteller Q-Cells und Aleo rechnen mit weiterem Wachstum – wenn auch etwas langsamer als bisher. Unter anderem in Deutschland, Spanien und den USA gibt es spezielle Förderprogramme, die den Ausbau der umweltfreundlichen Energieerzeugung vorantreiben.

(Koch)

 

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