Lieber ein Ende mit Schrecken

Es gibt kein Patentrezept gegen den Untergang alter Industrien

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Von Wolfgang Mulke

29. Mai. 2009 –

Berlin - Immer wieder gehen vermeintlich unbezwingbare Großunternehmen in die Knie wie jetzt vielleicht auch Opel oder Karstadt. Und immer wieder sind ganze Regionen davon betroffen, weil zeitgleich viele Arbeitsplätze in den betroffenen Betrieben selbst, bei Lieferanten und anderen Firmen an den Standorten fortfallen. 1996 traf es den Werftenverbund Bremer Vulkan, 2002 den Baukonzern Phillip Holzmann, ein Jahr später Grundig und gerade eben Hertie. Die Gründe sind oft vielschichtig. Managementversagen spielt eine Rolle. Zuweilen wird aber auch zu lange an Strategien festgehalten, die für ein verändertes Marktumfeld nicht tauglich sind.

 

Bei Opel ist den Gemengelage schwer zu durchschauen. Aber einige grundsätzliche Probleme sind bekannt. Weltweit können fast doppelt so viele Autos im Jahr gebaut werden wie Käufer finden. Das hat nichts mit der Wirtschaftskrise zu tun. Es gibt zu viele Werke und einige müssen deshalb geschlossen werden. Die große Nachfrage nach Fahrzeugen kommt zudem kaum aus Deutschland. Die Wachstumsmärkte liegen in Osteuropa, Fernost und Lateinamerika. Da ist es nur folgerichtig, wenn die Produktionsstätten nach und nach dort konzentriert werden. Selbst wenn Opel gerettet wird, drohen demnach ein Kapazitätsabbau und der Verlust vieler Arbeitsplätze.

 

Politiker aus Bund und Ländern wollen Opel und andere um fast jeden Preis retten. Der Versuch ist verständlich, aber längerfristig nicht immer aussichtsreich. Denn die deutsche Wirtschaft steckt in einem anhaltenden Strukturwandel, der sich auch mit dem Einsatz von Steuermilliarden nicht dauerhaft vermeiden lässt. Gefragt ist eher die Entwicklung neuer Perspektiven für sterbende  Industriestandorte.

 

Die Umwandlung der ostdeutschen Wirtschaft vom Plan der DDR auf westliche Marktverhältnisse hat in den neunziger Jahren gezeigt, was geht und was nicht funktioniert. Zunächst sollte möglichst die gesamte Breite der Industrie erhalten werden. Das war ebenso teuer wie zwecklos, denn die meisten Betriebe waren nicht wettbewerbsfähig. Später konzentrierte der Staat die Förderung auf die erhaltenswerten industriellen Kerne und auf die Ansiedlung neuer Unternehmen mit zukunftsweisenden Produkten. Die Ergebnisse sind regional sehr unterschiedlich ausgefallen. So sind weite Teile der neuen Länder faktisch zu industriefreien Zonen geworden. Doch in Zentren wie Dresden, Jena, Chemnitz, Potsdam oder dem Chemierevier in Sachsen-Anhalt sind moderne Betriebe neu entstanden. Da in den „alten“ Industriezweigen kein Platz für neue Kapazitäten vorhanden war, sorgen die „jungen“ Branchen im Osten für Wachstum. Allen voran sind hier die erneuerbaren Energien zu nennen. Weltweit steht Ostdeutschland hier ganz vorne. Die frühere Zahl an Jobs wird durch diesen sinnvollen Strukturwandel allerdings nicht wieder erreicht. Denn das neu entstandene muss noch eine Weile wachsen.

 

Auch westliche Bundesländer kennen die Nöte der ungewollten Veränderung recht gut, sind aber recht unterschiedlich damit umgegangen. Bayern, einst armer Bittsteller unter den Bundesländern, versagte unter dem damaligen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß einigen alten Industrien wie dem Bergbau die Hilfe. Strauß trieb stattdessen den Aufbau der damals zukunftsträchtigen Luft- und Raumfahrt voran, päppelte die Autoindustrie und lockte Banken und Versicherungen in den Süden. Eine Lösung für das Armenhaus Bayerns, die strukturschwache Oberpfalz, hatte aber auch Strauß nicht parat. Dennoch lässt sich aus heutiger Sicht feststellen, dass die Strategie aufgegangen ist.

 

Nordrhein-Westfalen ist das Gegenstück dazu. Der einst reiche Schwerindustriestandort steckt seit Jahrzehnten in einem andauernden Strukturwandel. Doch statt harter Schnitte federten die Westdeutschen den Übergang für die betroffenen Arbeitnehmer möglichst weich ab. Der zeitgleiche Aufbau einer neuen Industriestruktur wurde deshalb nicht konsequent genug vorangetrieben. Das Ergebnis ist ein Schrecken ohne Ende. Die möglichst lange gehaltenen überkommenen Industrien brechen dann doch einmal weg und der Schmerz ist dann groß, wie auch jetzt im Fall Opel. Insofern stellt sich die Frage nach dem Sinn staatlicher Rettungsaktionen erneut. Mit den Milliarden wird zwar Zeit gekauft, nicht aber eine wirtschaftliche Zukunft.

 

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