Luftverkehr fehlt Schub
Branche hat Corona noch nicht verwunden
08. Feb. 2024 –
Auch zwei Jahre nach dem Ende der Corona-Pandemie erholt sich der Flugverkehr in Deutschland nur schleppend. Wer ins europäische Ausland fliegen möchte, etwa für ein verlängertes Wochenende in Madrid oder einen Konzertbesuch in London, hat es deutlich schwerer, entsprechende Angebote zu finden. Der Bundesverband der Luftverkehrsindustrie (BDL) fürchtet sogar, große deutsche Wirtschaftsräume könnten abgekoppelt werden.
Für den Sommer 2024 bieten die Fluggesellschaften in Deutschland rund 89 Prozent der Sitzplätze an, die im Sommer 2019, dem letzten Sommer vor Corona, zur Verfügung standen, wie der BDL errechnet hat. Im restlichen Europa sind es bereits 104 Prozent. Dort hat sich der Luftverkehr deutlich schneller erholt und die Einbrüche während der Pandemie dann wettgemacht.
Vor allem der innerdeutsche Verkehr schwächelt. Das Angebot außerhalb der Zubringerflüge zu den Lufthansa-Umsteigeflughäfen Frankfurt und München schrumpft diesen Sommer im Vergleich zum vergangenen. Der Verband rechnet mit 23 Prozent der Sitzplätze, die 2019 zu buchen waren. „Das Geschäft kommt auch nicht zurück“, sagt Jost Lammers, BDL-Präsident und Chef des Flughafens München. Die Bundesbürger steigen auf den Zug um oder fahren selbst. Und viele Geschäftstreffen sind inzwischen durch Videokonferenzen ersetzt.
Deutschland hänge auch wegen des schwachen Verkehrs ins europäische Ausland deutlich hinter anderen europäischen Ländern zurück, sagte Lammers. Das liegt nicht unbedingt daran, dass die Deutschen weniger fliegen wollen. Aus Sicht des Verbands sind deutsche Flughäfen nicht mehr attraktiv genug. Eine Fluggesellschaft fliegt dann lieber zwischen Manchester und Mailand, weil sich da mehr pro Passagier verdienen lässt, als zwischen Köln/Bonn und Madrid.
Ein Grund sind die staatlichen Standortkosten, die nur in Deutschland gelten, wie BDL-Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow sagt. Da ist die Luftverkehrssteuer, die fällig wird, wenn eine Maschine in Deutschland startet oder landet. Sie soll zum 1. Mai steigen. Da sind deutsche Luftsicherheitsabgaben, die ebenfalls noch steigen sollen. Dazu kommen besondere Gebühren für die Flugsicherung. Der BDL hat für einen A320 neo die Kosten berechnet: In Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf und Berlin liegen sie zwischen 3600 und 3800 Euro pro Flug, in Dublin oder Paris Charles de Gaule unter 2000 Euro, in Madrid oder Barcelona unter 200 Euro.
„Die Luftverkehrsanbindung Deutschlands ist schlechter geworden“, sagt BDL-Präsident Lammers. Der Verband hat sich die Flughäfen Berlin, Düsseldorf und Stuttgart näher angesehen, zwei wichtige Wirtschaftsräume und die Hauptstadt. So sank die Zahl der europäischen Städteziele in Berlin zwischen 2019 und 2023 von 103 auf 82, in Düsseldorf von 80 auf 70, in Stuttgart von 56 auf 42. Gestrichen wurden etwa direkte Verbindungen nach Brüssel oder Glasgow. Wer die Ziele dennoch anpeilt, muss jetzt sehr wahrscheinlich umsteigen.
Bestehende Verbindungen werden zudem seltener bedient. Die Zahl der Flüge schrumpfte etwa nach Barcelona, London, Madrid, Wien, Zürich um 26 bis 53 Prozent. Das touristische Geschäft, das zeigen die Zahlen auch, ist hingegen recht stabil. Wer nach Rhodos, Mallorca oder Teneriffa fliegen möchte, kommt vergleichsweise gut hin.
Das geringere direkte Angebot verbindet sich zudem mit deutlich höheren Preisen. Energie kostet mehr, Personal ebenfalls. Und die Anbieter können auch mehr verlangen. So hat Lufthansa gerade ein äußerst erfolgreiches Jahr hinter sich, Billigflieger Ryanair steuerte zuletzt auf einen Rekordgewinn zu. Und die Bundesbürger sind offenbar auch bereit, mehr zu bezahlen. Die Flugzeuge jedenfalls waren 2023 voller – 84 Prozent der angebotenen Sitze waren besetzt, 2022 waren es etwas weniger.
Insgesamt flogen im vergangenen Jahr 197,2 Millionen Passagiere von deutschen Flughäfen ab oder kamen dort an, ein Plus von 20 Prozent im Vergleich zu 2022. Das entsprach 79 Prozent der Flugpassagiere im Jahr 2019, bevor Corona den Flugverkehr weitgehend zum Erliegen brachte. In Europa waren es bereits 96 Prozent.