Macher der Marke

Firmenportrait Mennekes: Elektro-Fabrikant Walter Mennekes ist ein typisch deutscher Unternehmer, der täglich um seine Stellung auf dem Weltmarkt kämpft

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Von Hannes Koch

31. Jul. 2009 –

Am Panama-Kanal geht Walter Mennekes auf Risiko. „Auf dem Schiff dort benutzen sie sicher unsere Stecker“, rühmt sich der Unternehmer aus Deutschland. Die Mitglieder der Wirtschaftsdelegation, der deutsche Außenminister eingeschlossen, staunen nicht schlecht. Mennekes schreitet zum Fernrohr auf der Aussichtsplattform, sucht das Deck des riesigen Containerschiffes ab – und freut sich. Ja, dort hinten, dieses rote Etwas, das sei ein Starkstrom-Stecker, den seine Firma in Deutschland produziert habe.


Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist beeindruckt. Die Delegation murmelt anerkennend. Ein x-beliebiges Schiff und sofort ein Treffer. „Manchmal hat man Glück. Sonst hätte ich mich ins Loch verkrochen“, sagt Mennekes (61).


Der Mann mit den kurzen, weißen Stoppelhaaren und dem fröhlichen Lachen ist Besitzer eines Unternehmens, das nach eigenen Angaben Weltmarktführer für elektrische Steckverbindungen ist, die nicht nur in der Seefahrt, sondern auch in der Industrie und auf dem Bau verwendet werden. In rund 90 Staaten dieser Erde erzielt Mennekes einen Umsatz von etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Trotzdem sind die Produkte nur Spezialisten bekannt. Mennekes hat einen Namen, aber keinen so bekannten wie Siemens, Daimler oder Bosch.


Mennekes ist kein transnationaler Konzern mit 300.000 Beschäftigten, sondern ein Betrieb mit 800 Leuten, der irgendwo in den Mittelgebirgen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen sitzt. Gerade deshalb aber ist die Firma repräsentativ für die Mehrheit der deutschen Wirtschaft. Das typische deutsche Unternehmen beschäftigt nicht Hunderttausende, sondern nur ein paar Dutzend oder höchstens ein paar Hundert Leute. Rund zwei Drittel aller Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten bei solchen Firmen.


Spricht man über diesen Sektor der Ökonomie, bezeichnet man ihn häufig als „Mittelstand“. Dieser Begriff findet keine präzise Entsprechung im Französischen, Spanischen oder Englischen. Er verweist auf die starre „ständische“ Gesellschaft des Mittelalters, in der die Menschen zeitlebens in Familie und sozialer Schicht gefangen waren. Der Wortbestandteil „Mitte“ beschreibt die Verortung in der modernen Gesellschaft – die komfortable Position im Zentrum der Wirtschaft, aber auch die gefährdete Stellung zwischen den antagonistischen Schichten der Arbeiterschaft und der Großindustrie.


Diese zugleich stabile und prekäre Position bestimmt das Verhalten vieler mittelständischer Unternehmen – auch der Firma Mennekes. Denn anders als etwa BMW oder Bayer muss Walter Mennekes sich intensiver um Überleben und Bekanntheit seiner Firma bemühen.


Einmal wurde ihm dieser Umstand besonders bewusst. Bei einem Wirtschaftsempfang versuchte er einem russischen Manager zu erklären, dass er Stecker produziere – erfolglos. Mangels kompatibler Sprachkenntnisse kam man über dauerndes Zuprosten nicht hinaus. Danach ließ Mennekes sich eine neue Visitenkarte anfertigen. Die ist ausklappbar, funktioniert wie ein kleiner Prospekt und zeigt Fotos der Produkte. Gerne zückt Mennekes auch ein kleines, von ihm entworfenes Büchlein, das seine Unternehmensphilosophie umreisst. Einer der wichtigen Sätze lautet: „Unsere Marke erkennt man daran, dass man sie erkennt“.


Das ist eine Marketing-Sprechblase mit tieferem Sinn. Gerade kleine und mittlere Unternehmer wissen: Obwohl die Qualität ihrer Produkte oft hervorragend ist, reicht dieser Umstand nicht aus, um Geschäftserfolg zu erzielen. Vielmehr geht es darum, das Produkt mit Werten aufzuladen, und es den Kunden dadurch als etwas Besonderes erscheinen zu lassen. Die Kunst liegt darin, eine Marke zu kreieren.


In diesem Fach ist Walter Mennekes offenbar sehr gut. Sein Maschinenbau-Studium finanzierte der Sohn des Firmengründers damit, dass er die väterlichen Produkte bei den Kunden persönlich anpries. Die direkte, originelle Ansprache und Werbung klappte bestens. Die Verkaufskünste seines Chefs beschreibt Betriebsratsvorsitzender Manfred Behle so: „Wer fünf Stecker kaufen will, nimmt schließlich 50“. Und selbst Georg Keppeler, der örtliche Chef der Industriegewerkschaft Metall, sagt: „Walter Mennekes hat die Marke Mennekes erst gemacht“.


Mennekes versteht es nicht nur, seinen unspektakulären Produkten den Charme des Individuellen mitzugeben. Er erweckt überdies den Eindruck, nicht nur an seine Firma, sondern auch an das gesellschaftliche Ganze zu denken. Bundeskanzler Helmut Kohl ließ er einst einen Scheck über 100.000 D-Mark zukommen, verbunden mit der Aufforderung, Ausbildungsplätze für Jugendliche zu finanzieren. Die öffentlichkeitswirksame Aktion trug der Firma Bekanntheit und Renommé ein. Aber die bedauernswerte Situation vieler Jugendlicher, die keinen Ausbildungsplatz in der Wirtschaft finden, ist Walter Mennekes auch ein ehrliches Anliegen. „Keiner darf verlorengehen“, sagt er im Hinblick auf soziale Probleme und Kriminalität, „nicht auszubilden ist für die Gesellschaft viel teurer, als Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen“.


Auch in anderer Hinsicht rühmt sich die Firma verantwortlichen Handels. Selbstverständlich entlohne er seine Beschäftigten gemäß des Tarifs, den die Metall-Gewerkschaft mit dem Arbeitsgeberverband ausgehandelt hat, so Mennekes. Und manche Arbeiter würden darüber hinaus noch deutlich besser bezahlt, bestätigt Betriebsrat Behle.


Bei genauerem Hinsehen allerdings zeigt das Bild Risse. Vor einigen Jahren hat Patriarch Mennekes seinen Leuten drei Stunden unbezahlter Mehrarbeit pro Woche abgehandelt. Rechnet man die kostenlosen Überstunden ein, liegt die Bezahlung nach Angaben des Betriebsrates unter dem Tarif, nicht darüber. Firmenchef Mennekes weißt diese Kritik zurück: Auch mit verlängerter Arbeitszeit bezahle er knapp besser als notwendig. Wie dem auch sei: Derartige Kompromisse haben etwas mit der familiären Kultur mittelständischer Firmen zu tun. Chef, Manager und Belegschaft wohnen in einer Gegend, man begegnet sich bei der Karnevalsfeier und im Sportverein. Anders als in anonymen Großkonzernen schafft die Nähe gegenseitiges Verständnis und wechselseitige Verpflichtung.


Ihren Wert gewinnt die Marke Mennekes außerdem durch die demonstrativ guten Beziehungen, die der Inhaber zur hohen Politik pflegt. Früh engagierte sich Walter Mennekes im Beirat der Hannover-Messe, wo er Bundeskanzler Helmut Kohl kennenlernte. Als dieser einst bei seinem Messerundgang den Stand der Firma besuchte, entschuldigte sich Mennekes scherzhaft für die rote Farbe seiner Stecker, die mit dem Schwarz der konservativen Kohl-Partei CDU nicht harmoniere. „Rot ist doch eine schöne Farbe“, ließ sich da aus der Delegation eine andere Stimme vernehmen. Sie gehörte Kohls Nachfolger, dem späteren sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Dessen Asien-Reise, zu der er auch Walter Mennekes einlud, dürfte die Geschäftsbeziehungen der Firma ebensowenig getrübt haben, wie die Lateinamerika-Reise, die SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Walter Mennekes an den Panama-Kanal führte.


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