Maschinen steuern sich selbst
Ökonomin Vera Demary erklärt, was „Industrie 4.0“ bedeutet. Wirtschaftsminister Gabriel besucht jetzt solche Firmen
24. Aug. 2015 –
Hannes Koch: Was ist Industrie 4.0?
Vera Demary: Der Begriff Industrie 4.0 beschreibt die Vernetzung von Maschinen, Menschen und Werkstücken in Echtzeit. Im Idealfall kommunizieren Maschinen selbstständig untereinander und treffen Entscheidungen. Tritt beispielsweise bei der Produktion auf Maschine 1 ein Fehler am Werkstück auf, kommuniziert sie dies unmittelbar an die nachfolgende Maschine 2, die dann selbstständig entscheidet, ob und wie mit der Produktion fortgefahren wird, und sich selbst konfiguriert. Möglich werden auf diese Weise effizient industriell gefertigte Einzelstücke. Oftmals wird diese moderne Art der Produktion mit einer vierten industriellen Revolution gleichgesetzt, die die Art und Weise, wie produziert wird, völlig verändert. Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, bleibt abzuwarten, denn noch steht Industrie 4.0 am Anfang.
Koch: Kommt die menschenleere Fabrik?
Demary: Auch wenn Maschinen sich selber steuern, sind Menschen in der Produktion nötig, es verändern sich lediglich die Schwerpunkte. So werden im Rahmen von Industrie 4.0 zum Beispiel umfassende IT-Kenntnisse auf vielen Arbeitsplätzen benötigt. Die schon besonders digitalisierten Unternehmen beugen daher bereits vor und entwickeln die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter formell in Kursen und informell am Arbeitsplatz weiter. Entgegen oft anderslautender Vermutungen fühlen sich Arbeitnehmer in einem digitalisierten Arbeitsumfeld zudem nicht gestresster. Sie haben oftmals größere Handlungsspielräume und erfahren mehr Anerkennung, so dass sie die Anforderungen nicht zwingend als belastend empfinden.
Koch: Mit welchen Ländern konkurriert Deutschland?
Demary: Industrie 4.0 ist ein internationales Phänomen, bei dem das industriebasierte Deutschland sehr gute Chancen hat, im Wettbewerb gut abzuschneiden. Umfassende Vernetzung erfordert Standards. Wer die setzen kann, hat Vorteile. Deutsche Unternehmen befinden sich hier im Wettbewerb mit Firmen aus aller Welt, unter anderem den USA, Japan und China. Um ihre Kräfte zu bündeln, haben sich zahlreiche deutsche Unternehmen zur „Plattform Industrie 4.0“ zusammengeschlossen. Deren amerikanisches Gegenstück, das „Industrial Internet Consortium“, vernetzt jedoch Unternehmen aus aller Welt und kommt damit der Idee von der umfassenden Vernetzung näher.
Vera Demary leitet das „Kompetenzfeld Strukturwandel und Wettbewerb“ beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln