• Marcel Fratzscher (DIW) |Foto: DIW
    Marcel Fratzscher (DIW) |Foto: DIW

„Mehr Investitionen statt schneller Abbau von Schulden“

Die Bundesregierung solle mehr Geld ausgeben, damit Schulen, Straßen und Forschungsinstitute nicht vergammeln, sagt Ökonom Marcel Fratzscher

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Von Hannes Koch

13. Apr. 2015 –

Hannes Koch: Herr Fratzscher, der Staat, aber auch die Unternehmen investieren hierzulande zu wenig. Warum tut die Privatwirtschaft nicht mehr, um ihre Anlagen in Schuss zu halten?

 

Marcel Fratzscher: Besonders die großen Firmen zieht es hinaus auf die globalen Märkte. Sie investieren verstärkt dort, wo sie höheres Wachstum erwarten. Das kostet Arbeitsplätze in Deutschland, auch gut bezahlte. Um dem entgegenzuwirken, sollte die öffentliche Hand beispielsweise mehr Geld in Forschung und Entwicklung investieren. Dies ist aber nur ein Grund für die private Zurückhaltung bei Investitionen. Eine wichtige Rolle spielen auch Unsicherheiten: Viele Manager machen sich etwa Sorgen über die Kosten der Energiewende, die Möglichkeit eines Fachkräftemangels und den Verfall der Verkehrsinfrastruktur.

 

Koch: Und warum gibt der Staat zu wenig Geld aus, um kaputte Brücken zu reparieren oder flächendeckend schnelle Datenleitungen verlegen zu lassen?

 

Fratzscher: Die Politik setzt teilweise falsche Prioritäten. So kostet die jüngste Rentenreform der großen Koalition zehn Milliarden Euro jährlich. Diese Summe würde reichen, um in den kommenden Jahren alle öffentlichen Verkehrswege zu modernisieren.

 

Koch: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will die Staatsverschuldung schnell reduzieren. Wäre es nicht sinnvoller, mehr zu investieren?

 

Fratzscher: Die Schuldenbremse im Grundgesetz ist richtig. Allerdings sollte der Bund seine Überschüsse von vermutlich 15 Milliarden Euro in diesem Jahr nicht in erster Linie für den Abbau der Schulden nutzen. Damit kann man sich etwas mehr Zeit lassen.

 

Koch: Wieso schlägt Ihre Kommission angesichts der staatlichen Überschüsse vor, zusätzliches privates Kapital von Versicherungen und Banken für öffentliche Investitionen zu mobilisieren?

 

Fratzscher: Das Ziel einer jeden öffentlichen Investition muss es sein, eine bestimmte Infrastruktur so günstig und effizient wie möglich zu erbringen. Wir alle wissen, dass der Staat nicht alles besser macht als die private Wirtschaft. Eine wichtige Aufgabe der Kommission ist es, den Städten und Gemeinden Optionen aufzuzeigen, wie öffentliche Investitionen rein staatlich oder auch mit privater Hilfe organisiert werden können.

 

Koch: Wenn privates Kapital in öffentliche Investitionen fließt, muss der Staat die private Kapitalrendite mitfinanzieren. Investiert er selbst, spart er diese. Sind öffentlich-private Partnerschaften nicht immer schlechte Geschäfte für Bund, Länder und Gemeinden?

 

Fratzscher: Es gibt genug Beispiele - man denke an den Berliner Flughafen - bei denen die öffentliche Hand, und damit die Bürger, ein schlechtes Geschäft gemacht haben, weil sie das Wissen und die Fähigkeiten der privaten Wirtschaft zu wenig nutzten. Es geht vor allem um die Frage, ob die öffentliche Hand oder private Unternehmen die bessere Leistung erbringen. Nur in solchen Fällen, in denen private Unternehmen eine öffentliche Infrastruktur günstiger bereitstellen können, sollte der Staat dies auch nutzen.

 

Koch: Wie kann der Staat unter Einbezug privaten Kapitals soviel sparen, dass die private Rendite überkompensiert wird?

 

Fratzscher: Der Staat kann von privatem Kapital profitieren, wenn die Investoren beispielsweise Kostenrisiken für den Staat übernehmen. Im Fall des Berliner Flughafens wäre es wünschenswert gewesen, genau dies zu tun. Dann müssten jetzt nicht die Steuerzahler die Kosten der Umbauten und verspäteten Eröffnung tragen.

 

Bio-Kasten

Marcel Fratzscher (44) ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Zuvor arbeitete er bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums leitet er die Kommission, die ein Konzept für verstärkte öffentliche und private Investitionen ausarbeitet.

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