Mehr Urlaub statt mehr Geld kommt gut an

Sechs von zehn Bahnern entschieden sich zuletzt für zusätzliche freie Zeit. In den anstehenden Tarifverhandlungen wollen die Gewerkschaften das Wahlmodell ausdehnen. Die Arbeitgeber zeigen sich verhandlungsbereit.

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Von Wolfgang Mulke

08. Okt. 2018 –

Laute Proteste, stehende Züge. Dieses Bild hat die Tarifverhandlungen bei der Bahn in den vergangenen Jahren immer wieder bestimmt. Bei den an diesem Donnerstag startenden neuerlichen Gehaltsverhandlungen stehen die Zeichen eher auf Kompromiss denn auf Krawall. Womöglich bleiben den Reisenden in der Weihnachtszeit Warnstreiks erspart. Sicher ist das freilich nicht.

Denn die Forderungen der beiden Gewerkschaften hören sich zunächst einmal happig an. 7,5 Prozent mehr Lohn verlangen die Eisenbahn-Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die konkurrierende Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) für die rund 160.000 Tarifbeschäftigten der Deutschen Bahn. Hinter der einfachen Prozentzahl verbirgt sich ein bunter Strauß an einzelnen Forderungen. Die größere EVG will mehr Geld für die betriebliche Altersvorsorge, Langzeitkonten für die Arbeitszeit und eine Ausweitung des in der letzten Runde eingeführten Wahlmodells. Die GDL pocht auf höhere Zulagen für Nacht- und Wochenendschichten. Das Wahlmodell will auch die kleinere Gewerkschaft stärken.

2016 konnten die Beschäftigten erstmals zwischen einer Lohnerhöhung, sechs zusätzlichen Urlaubstagen oder einer Stunde weniger Wochenarbeitszeit wählen. Bei den Beschäftigten kam die Neuerung gut an. 58 Prozent entschieden sich für die Urlaubstage, zwei Prozent für eine verringerte Wochenarbeitszeit. Mit 40 Prozent war nur für einer Minderheit der Wunsch nach mehr Geld am wichtigsten. Auch deshalb haben die Mitglieder der Gewerkschaften sich deutlich für eine Ausweitung des Modells ausgesprochen.

„Wir haben wegen des Wahlmodells 1.500 neue Mitarbeiter zusätzlich eingestellt“, berichtet der Personalvorstand der Bahn, Martin Seiler. In Hinblick auf die anstehenden Verhandlungen zeigt er sich optimistisch. „Wir wollen am Verhandlungstisch vernünftige Lösungen finden“, sagt Seiler. Nicht einmal die Höhe der Forderung weisen die Arbeitgeber wie sonst bei Tarifrunden oft üblich rigoros zurück. Es komme auf ein ausgewogenes Gesamtpaket an, betont die Bahn.

Angesichts der finanziellen Schwierigkeiten der Bahn kann sich das Unternehmen kaum allzu große Sprünge bei den Lohnkosten erlauben. Andererseits hat sich der Arbeitsmarkt für die dringend benötigten Fachkräfte bei der Bahn zugunsten der Arbeitnehmer entwickelt. Weil immer mehr ältere Beschäftigte in den Ruhestand wechseln, muss das Unternehmen innerhalb weniger Jahre einen großen Teil der Belegschaft erneuern. Allein in diesem Jahr will der Konzern 20.000 Leute neu einstellen. 17.000 waren es Ende August bereits. Um dauerhaft attraktiv zu bleiben, zum Beispiel für die händeringend gesuchten Lokführer, ist das Unternehmen eher zu Zugeständnissen bereit als in vergangenen Jahrzehnten. Schon der letzte Abschluss konnte sich mit einem Plus von 5,1 Prozent über zwei Jahre sehen lassen.

Ein Knackpunkt dieser Verhandlungsrunde könnte gerade das so erfolgreiche Wahlmodell werden. Denn die Bahn kann es sich kaum leisten, auf fähige Mitarbeiter, etwa im Kundenservice oder im Führerstand, zusätzliche Tage zu verzichten. Das ginge womöglich zu Lasten der Leistungen, weil diese nicht ohne weiteres ersetzt werden können.

Am Donnerstag treffen sich die Arbeitgeber zunächst mit der EVG. Am Freitag ist die GDL dran. Insgesamt drei Runden haben die Tarifparteien bis in den November hinein terminiert. Die Bahn hätte den Abschluss mit beiden Gewerkschaften gerne vor Weihnachten unterschriftsreif.

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