Merkel erlebt den Schröder-Effekt

Kommentar zum Wachstumsgesetz

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Von Hannes Koch

04. Dez. 2009 –

Angela Merkel steckt in diesen Wochen in einer ähnlichen Situation wie Kanzler Gerhard Schröder 2003. Hinter der Kanzlerin liegt ihre erste Legislaturperiode, in der sie einen konsensgeprägten Regierungsstil pflegte. Nicht Auseinandersetzungen standen im Vordergrund, sondern demonstrative Gemeinsamkeiten in der großen Koalition und die Bewältigung der Finanzkrise im Interesse des ganzen Landes. Das Wachstumsgesetz jedoch, das der Bundestag am Freitag beschloss, markiert das Ende der Konsens- und den Beginn einer neuen Konfliktpolitik.


Bei Schröder war es ähnlich, als er 2003 die Hartz-Reformen verkündete. Nach vierjährigen Konsensversuchen entschloss er sich zu einem harten Schnitt, an dem die SPD noch heute krankt. Die Agenda 2010 entfaltete ihre für die Regierung und Partei fatale Wirkung, weil viele Menschen Hartz IV als Verlust sozialer Sicherheit empfanden.


Diese Klippe versucht Merkel zu umschiffen, indem sie den Eindruck erweckt, allen etwas zu geben. Die Bürger erhalten nicht weniger vom Staat, sondern mehr – das ist die Botschaft des Wachstumsgesetzes. Beschäftigte, Unternehmen, Erben, Familien – allen verspricht die Regierung steuerliche Entlastung, wenn auch in unterschiedlichem Maße.


Angesichts gigantischer Staatsschulden wird die Kanzlerin diese Politik der Geschenke allerdings nicht lange durchhalten. In den vergangenen Tagen kündigten sich die harten Konflikte dieser Legislaturperiode bereits an: Wenn der Bund sparen muss, bedeuten Geschenke für die Einen eben Verluste für die Anderen. Manche Ministerpräsidenten unionsregierter Länder haben das verstanden. Steuererleichterungen aus Berlin nehmen ihnen das Geld, das sie für den Ausbau der Schulen und Kitas brauchen. Noch spielen sich die Konflikte zwischen Bund und Ländern ab. Die neue Auseinandersetzung könnte aber schon bald im Alltag der Bürger ankommen. Dann nämlich, wenn sich die Regierung daran macht, die Beiträge der Krankenkassen zu Lasten der Beschäftigten zu erhöhen.

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