„Merkel hat versprochen und gehalten“

Der Afrika-Aktivist und Rocksänger Bob Geldof lobt die Kanzlerin für die Erhöhung der Entwicklungshilfe. Gleichzeitig kritisiert er die Agrarpolitik als „Protektionismus der übelsten Sorte“

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Von Hannes Koch

09. Feb. 2009 –

Hannes Koch: Sie fordern die Bundesregierung auf, ihre Entwicklungshilfe für Afrika zu erhöhen. Wie stark leidet der Kontinent unter der Finanz- und Wirtschaftskrise?


Bob Geldof: Der Einbruch fällt nicht so stark aus wie in den reichen Staaten. Trotzdem ist der Rückschlag gravierend. Denn Afrika braucht ein permanentes Wachstum von acht Prozent, um seine wachsende Bevölkerung zu versorgen.


Koch: Infolge der Finanzkrise würde die Zahl der Hungernden um 200 Millionen Menschen steigen, heißt es. Stimmt diese Hiobsbotschaft?


Geldof: In den zurückliegenden Boomjahren ist die afrikanische Wirtschaft um sechs Prozent pro Jahr gewachsen. 2008 werden es nur noch vier Prozent sein – viel weniger, als notwendig. Deshalb nimmt der Hunger wieder zu.


Koch: Bundeskanzlerin Angela Merkel wird von Ihrer Organisation One dafür gelobt, dass sie die Entwicklungshilfe anhebe. Dabei verfehlt Deutschland das internationale Ziel meilenweit, 0,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung den armen Ländern zur Verfügung zu stellen.


Geldof: Wir haben Frau Merkel gebeten, mehr zu tun. Das hat sie versprochen und auch eingehalten. Dafür bedanken wir uns. Denn der Dank gibt uns die Möglichkeit, mir ihr über den nächsten notwendigen Schritt zu reden.


Koch: Deutschland investiert viel weniger Mittel in die Bekämpfung der Armut, als die Vereinten Nationen verlangen. Was müsste passieren?


Geldof: Die deutsche Entwicklungshilfe sollte bis 2010 auf 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens anwachsen, wie zugesagt. Davon ist die Bundesregierung noch um einiges entfernt. Aber immerhin ist Deutschland heute – gemessen an der absoluten Summe - der zweitgrößte Geber der Welt nach den USA.


Koch: Auch die reichen Länder leiden. Die Finanz- und Wirtschaftskrise verschlingt Hunderte Milliarden Euro. Warum sollte man ausgerechnet jetzt die Entwicklungshilfe erhöhen?


Geldof: Aus moralischen Gründen, aber auch aus purem ökonomischem Eigeninteresse. Heute verweigern die Industriestaaten der Hälfte der Weltbevölkerung den Zugang zu ihrem System des Wohlstandes. Welchen Sinn soll diese Politik langfristig für ein Land wie Deutschland haben, das fast 40 Prozent seiner Produkte exportiert? Die meisten der 900 Millionen Konsumenten, deren Kontinent 14 Kilometer südlich von Gibraltar beginnt, können sich diese Waren gegenwärtig nicht leisten. Sie sind schlicht zu arm. Aus deutscher Sicht wäre es deshalb gerade verrückt, Afrika nicht als Markt der Zukunft zu betrachten. Wir im Norden brauchen die Leute im Süden, damit es uns selbst gut geht.


Koch: Unlängst haben die EU-Kommission und die Bundesregierung entschieden, als Unterstützung für die europäischen Bauern wieder subventionierte Milch in Entwicklungsländer zu exportieren. Das schädigt die Landwirtschaft des Südens massiv. Verdient die Kanzlerin auch dafür ein Lob?


Geldof: Das ist total kontraproduktiv - ökonomischer Nationalismus und Protektionismus der übelsten Sorte. Brüssel baut noch immer hohe Mauern, um die eigenen Bauern zu schützen. Weil man damit den afrikanischen Zukunftsmarkt schädigt, anstatt ihn aufzubauen. Dieses Denken führt geradewegs in die nächste Wirtschaftskrise.


Koch: Seit 25 Jahren setzen Sie sich für die armen Länder und speziell für Afrika ein. Sind sie stolz darauf, was Sie erreicht haben?


Geldof: Nein, das bin ich nicht. Hätten wir wirkungsvoll gearbeitet, wären die Menschen in Afrika heute nicht mehr so arm, wie sie tatsächlich sind. Wir müssen neue Argumente finden, um die Politik zu überzeugen. Der Appell an das ökonomische Eigeninteresse ist dafür besser geeignet, als die moralische Argumentation der Vergangenheit.


Info I:

Bob Geldof (57) wurde 1979 mit seiner Band „The Boomtown Rats“ und dem Song „I Don´t like Mondays“ bekannt. 1985 organisierte er die Live-Aid-Konzerte in Philadelphia und London mit zwei Milliarden (Fernseh-) Zuschauern weltweit. Seine bislang letzte CD „Sex, Age & Death“ ist von 2001.


Info II:

Am Montag startete die Afrika-Lobby-Organisation ONE, die Geldof unterstützt, ihre neue Kampagne zum Wahljahr 2009 in Deutschland. Unter dem Titel „Be one of us“ fordern Geldof, Campino (Die Toten Hosen) und andere Prominente die Bundesregierung auf, trotz der Finanzkrise die Entwicklungshilfe für Afrika wie geplant zu erhöhen.

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