Milde gegen Steuerhinterzieher

Die schlimmsten Steueroasen seien ausgetrocknet, sagt das Finanzministerium – und setzt das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerflucht praktisch außer Kraft. Opposition kann es nicht glauben

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Von Hannes Koch

05. Jan. 2010 –

Potenzielle Steuerflüchtlinge können aufatmen. Das im vergangenen Sommer mit großem Pomp verabschiedete Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jetzt quasi außer Kraft gesetzt. Das geht aus einem Schreiben des Ministeriums vom 5. Januar hervor, das dieser Zeitung vorliegt.


Gert Müller-Gatermann vom Bundesfinanzministerium schreibt darin, „dass kein Staat oder Gebiet die Voraussetzungen“ des Gesetzes gegen Steuerhinterziehung erfülle. In diesem Gesetz hatte die große Koalition aus Union und SPD potenziellen Steuerflüchtlingen besondere Zwangsmaßnahmen für den Fall angedroht, dass sie Geschäfte mit Steueroasen betreiben. Beispielsweise hätten Firmen oder Einzelpersonen bestimmte Steuervorteile nicht mehr in Anspruch nehmen können. Die Finanzämter konnten das Gesetz freilich bis heute nicht anwenden, weil die Liste der Steueroasen fehlte.


Diesen Mangel hat das Finanzministerium nun auf eigentümliche Art gelöst. Es erklärt schlicht, dass keine in Frage kommenden Steueroasen mehr existierten. Dieser Umstand ist erstaunlich. Pflegt doch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) in Paris eine Liste der Territorien und Staaten, die Steuerhinterziehung begünstigen. Auf der „grauen Liste“ stehen Länder, die sich zwar offiziell zum Kampf gegen Steuerhinterziehung bekennen, praktisch aber wenig dagegen unternehmen. Dazu gehören Andorra, die Bahamas, Costa Rica, Panama, Malaysia, die Philippinen und andere.


Das Finanzministerium ignoriert diese „graue Liste“ und bezieht sich dagegen auf die „schwarze Liste“ der OECD. Diese verzeichnete bis zum vergangenen Jahr die Namen der harten Steueroasen, die Informationen über versteckte Vermögen offensiv geheimhielten. Heute ist diese Liste leer, weil im Zuge der Finanzkrise die Regierungen der USA, Frankreichs, Deutschlands und anderer Staaten Druck auf die Steueroasen ausübten, ihre schädliche Praxis abzuschaffen. Alleine den deutschen Finanzämtern gehen durch Steuerflucht jedes Jahr Milliarden Euro verloren.


Die Opposition im Bundestag kritisiert das Vorgehen Schäubles. „Angesichts der Steueroasen auf der grauen Liste wäre es falsch, wenn das Gesetz faktisch kassiert würde“, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß gegenüber dieser Zeitung. Die schwarz-gelbe Regierung erfülle nun die „Erwartungen der Wirtschaft, die den Wahlkampf von Union und FDP finanziell massiv unterstützt hat“, so Poß. Der grüne Finanzpolitiker Gerhard Schick sagte, „der Mantel des Gesetzes bleibt leer. Schäuble beendet den Kampf gegen die Steueroasen“.


Im Finanzministerium stellt man die bisherigen Aktivitäten als Erfolg dar. Dass keine Staaten mehr auf der schwarzen OECD-Liste stünden, sei dem Druck geschuldet, den unter anderem Deutschland auf die Schweiz und Liechtenstein ausgeübt habe. Sollten sich die Staaten auf der grauen Liste künftig nicht kooperativ zeigen, könnten durchaus Sanktionen ergriffen werden, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.


Gerade Liechtenstein spielte früher eine besondere Rolle. Mit Hilfe Liechtensteiner Stiftungen bewahrte nicht nur der ehemalige Post-Chef Klaus Zumwinkel jahrelang Millionen Euro vor deutschen Finanzämtern. Als die Staatsanwaltschaft Zumwinkel zu Haus abholte und seine Steuertricks öffentlich wurden, musste die Politik etwas unternehmen.


Inzwischen hat auch das Alpenländchen ein Abkommen zum Informationsaustausch unterzeichnet. Steuerberater weisen ihre deutschen Mandanten auf die veränderte Lage hin. „Das strikte Liechtensteinische Bankgeheimnis ist faktisch außer Kraft gesetzt“, schreibt etwa Rechtsanwalt Alexander Abfalterer aus Vaduz an seine Kunden.

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