Mit Steuergeschenken gegen die Krise
Die große Koalition öffnet Steuerschlupflöcher, die sie erst 2008 geschlossen hat
26. Mai. 2009 –
Die Wirtschaftskrise macht es möglich. Union und SPD wollen Steuervergünstigungen für Unternehmen wieder einführen, die sie erst vor kurzem abgeschafft haben. Union und SPD hätten sich „darauf verständigt, dass wir im Bereich der Unternehmensteuerreform zu deutlichen Korrekturen kommen“, sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer am Dienstag.
In den Verhandlungen der Regierungskoalition zeichnete sich ab, dass die so genannte Zinsschranke aufgeweicht wird. Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 hatten sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und die SPD-Fraktion für diese Regelung stark gemacht, damit Unternehmen ihre Gewinne nicht ins Ausland überweisen, ohne hierzulande Steuern zu zahlen.
Gerne benutzen Firmen ein spezielles Modell, um ihre Steuerlast in Deutschland zu drücken. Beispielsweise überweist eine ausländische Tochterfirma ihren Gewinn an das deutsche Mutterhaus, deklariert ihn aber als Kredit. Die darauf anfallenden unternehmensinternen Zinsen, die die Mutter an die Tochter zahlt, kann jene von der Steuer abziehen. Aus Einnahmen werden so Ausgaben – eine lukrative Idee, die den Staat früher jährlich hunderte Millionen Euro kostete.
Als Ausgleich für die Senkung der Steuersätze für Unternehmen hatte die Koalition die Abzugsfähigkeit solcher Zinsen 2008 stark eingeschränkt. Nun soll die Freigrenze, unterhalb derer die Zinsen in vollem Umfang von der Steuer abgesetzt werden können, von einer Million Euro auf drei Millionen Euro angehoben werden. Dieser zunächst auf zwei Jahre befristete Vorteil würde in erster Linie mittleren Unternehmen zugute kommen.
Darüber freut sich besonders Hans Heinrich Driftmann. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) setzte sich in dieser Frage ein Jahr lang für die Unternehmen ein.
Auch ein anderer Wirtschaftsverband kann zufrieden sein. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZdH) verlangt seit langem, dass kleine Betriebe Vergünstigungen bei der Umsatzsteuer erhalten.
Diese Änderung will die große Koalition nun ebenfalls beschließen. Heute gilt grundsätzlich die folgende Regelung: Schreibt ein Unternehmen eine Rechnung, muss es die Umsatzsteuer sofort bezahlen, auch wenn der Kunde den Betrag erst in einigen Monaten überweist. Ausnahmen gab es bislang nur für kleine Unternehmen mit einem Umsatz bis 250.000 Euro pro Jahr im Westen und 500.000 Euro im Osten. Diese brauchten die Umsatzsteuer erst dann das Finanzamt zu zahlen, wenn der Rechnungsbeitrag an sie überwiesen wurde. Künftig sollen alle Unternehmen bis 500.000 Euro Jahresumsatz ihre Umsatzsteuer nachträglich entrichten dürfen.
Und auch die Versicherungswirtschaft soll nicht leer ausgehen. Die Koalition verhandelt darüber, dass die Verbraucher ihre Kosten für Haftpflicht-, Unfall- und andere Policen besser von der Steuer absetzen können.
Insgesamt werden die Steuerentlastungen rund drei Milliarden Euro jährlich kosten. Diese und andere Posten manchen sich in Form zunehmender Löcher in den Bundeshaushalten von 2009 und der kommenden Jahre bemerkbar. Wenn das Bundeskabinett am Mittwoch zum zweiten Mal einen Nachtragshaushalt für 2009 verabschiedet, steigt die Neuverschuldung auf 47,6 Milliarden Euro. Sie liegt damit knapp elf Milliarden über dem ersten Nachtragshaushalt. Für 2010 erwartet das Bundesfinanzministerium einen Fehlbetrag, der noch weit darüber liegt.