Mitten ins Herz

Gründe für Wachstum und die Kritik daran

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Von Hannes Koch

02. Sep. 2014 –

Mit Kleinkram geben sich die Organisatoren des Kongresses in Leipzig nicht ab. Es geht um das große Ganze. „Degrowth“ ist das Thema, übersetzt „Rücknahme von Wachstum“ oder „Anti-Wachstum“.

 

Die Botschaft zielt ins Herz der westlichen Marktwirtschaft. Diese wächst seit 200 Jahren. Um das Jahr 1800 waren die preußischen Bauern noch Leibeigene. Heute kommt mancher Landwirt auf ein Jahreseinkommen von 50.000 Euro. Diesen Prozess der unausgesetzten materiellen Expansion sehen die meisten der 2.500 angemeldeten Teilnehmer in Leipzig jedoch als Problem, nicht mehr als Lösung.

 

Warum ist Wachstum ein zentrales Prinzip der Marktwirtschaft? Diese beruht unter anderem darauf, aus Geld mehr Geld zu machen, mit Kapital Profit zu erwirtschaften. Ein Mittel, um diesen Prozess in Gang zu halten, ist, die Menge der produzierten Waren und Dienstleistungen zu steigern.

 

Die Investitionen der Unternehmen treiben im Übrigen den technischen und organisatorischen Fortschritt voran. Dadurch nimmt die Produktivität unter anderem der Beschäftigten zu: Weniger Arbeitnehmer erwirtschaften eine höhere Leistung. Das System muss auch deshalb wachsen, um dem immer wieder wegrationalisierten Personal neue Arbeitsplätze zu schaffen.

 

Ferner ist Wachstum nützlich, um die materiellen Ansprüche der wichtigen Gesellschaftsgruppen ohne große Konflikte zu befriedigen. Gleichzeitige Lohnerhöhungen für die Beschäftigten und Gewinne für die Unternehmen lassen sich besser finanzieren, wenn die zu verteilende Menge wächst. So ist es fraglich, ob marktwirtschaftliche Demokratien ohne permanentes Wirtschaftswachstum überhaupt existieren können.

 

Genau das sollte aber möglich sein, meinen inzwischen viele Bürger. Die Minderheit der Wachstumskritiker gewinnt an Stärke. So gilt es in manchen Kreisen inzwischen als schick, Produkte nicht zu kaufen, sondern sie gegenseitig zu verleihen. Bürger beteiligen sich an Initiativen, Firmen und Organisationen, die Autos, Wohnungen, Gärten, Werkzeuge oder Kleidung gemeinschaftlich nutzen.

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