Nach dem Programm ist vor dem Programm

Alle Fraktionen des Bundestages stimmen mit großer Mehrheit dafür, den Spar- und Kreditvertrag für Griechenland zu verlängern.

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Von Hannes Koch

27. Feb. 2015 –

Unterschiedliche Argumente, Einschätzungen und Vorwürfe äußerten die Redner im Bundestag am Freitag zu Griechenland, nahezu einheitlich aber war ihr Votum. Mit großer Mehrheit – 541 von 586 abgegebenen Stimmen – unterstützten Union, SPD, Linke und Grüne die Verlängerung des Reform- und Kreditprogramms für das südeuropäische Land. Selbst für die Linke, die die Sparpolitik früher immer ablehnte, erklärte Fraktionschef Gregor Gysi die mehrheitliche Zustimmung.

 

Nachdem auch das estnische Parlament am Freitag zustimmte, wird das Griechenland-Programm nun wohl bis Ende Juni 2015 verlängert. Die Links-Rechts-Regierung in Athen hatte unlängst eingewilligt, den Spar- und Sanierungskurs fortzusetzen. Zur Belohnung sollen im Sommer bis zu weitere sieben Milliarden der anderen Euro-Staaten, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds fließen. Dieses Geld braucht die Regierung in Athen unter anderem, um die Zinsen für Hilfskredite aus dem Ausland zu bezahlen. Fällt die Unterstützung aus, droht Athen die Zahlungsunfähigkeit.

 

Mit 29 Nein-Stimmen kamen fast alle ablehnenden Voten aus der CDU/CSU. Bei der Linken, die der griechischen Regierungspartei Syriza nahesteht, stimmten nur drei Abgeordnete gegen den Regierungsvorschlag, unter anderem die Bochumer Volksvertreterin Sevim Dagdelen, zehn enthielten sich. Insgesamt enthielten sich 13 Abgeordnete, 45 nahmen nicht teil. Die Grünen hatten vor der Abstimmung ein Twitter-Bild verschickt, auf dem sie mit „Ja zu Europa“-Plakaten posierten.

 

Den Ton setzte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), als er in der Eröffnungsrede um die Zustimmung zur Verlängerung des Programms bat. Schäuble kombinierte die Rechtfertigung des harten Sparkurses in Griechenland mit einem Plädoyer für europäische Solidarität. Angesichts ständiger Querschüsse aus Athen sei er „nicht zu Scherzen aufgelegt“. Schäuble betonte, dass es Länder in Europa gebe, in denen die Sozialleistungen und der Mindestlohn niedriger lägen als in Griechenland. „Solidarität heißt, dass jeder seinen Teil beiträgt“, sagte der Finanzminister - die Griechen müssten also ihre Sparanstrengungen weiter wie bisher erbringen.

 

Schäuble warnte aber auch: Verweigere der Bundestag seine Zustimmung zur Verlängerung, „würden wir unserer Zukunft großen Schaden zufügen“. Europa müsse zusammenstehen und die Staaten sich aufeinander verlassen können. „Wir sollten alles dafür tun, Europa zusammenzuhalten“, so Schäuble.

 

Diese Sätze waren auch zu verstehen als Antwort auf eine Kampagne der Bild-Zeitung. Das Blatt präsentierte ganzseitig die Aufforderung, mit „Nein“ zu stimmen. Garniert war dieses Plädoyer mit einer Umfrage des Instituts Insa, derzufolge 59 Prozent der befragten Bundesbürger weitere Griechenland-Hilfen ablehnten. Insa in Erfurt macht regelmäßig Umfragen für die Zeitung. Chef ist Hermann Binkert, ein ehemaliger enger Mitarbeiter des früheren CDU-Ministerpräsidenten von Thüringen, Dieter Althaus.

 

In der Bundestagsdebatte zeichnete sich ab, wie es weitergehen könnte. Carsten Schneider, Vize-Fraktionschef der SPD, deutete an, dass man bald über „die nächste Verlängerung“ der Hilfen für Griechenland werde reden müssen. Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: „In Kürze können wir mit dem dritten Kreditpaket rechnen.“ Diese Einschätzungen sind nicht aus der Luft gegriffen. Ökonom Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, argumentiert: „Das Problem, wie die viel zu hohe Staatsverschuldung nachhaltig gestaltet werden kann, bleibt ungelöst. Griechenland wird ein neues, drittes Hilfsprogramm mit 30 bis 40 Milliarden Euro benötigen. Das wird ultimativ weitere Kreditzahlungen von Europa und Deutschland erfordern.“

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