Neue Formel gegen Altersarmut

DIW will Renten umverteilen / Laut DGB 2025 jede dritte Rente auf Sozialhilfeniveau

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Von Wolfgang Mulke

02. Feb. 2009 –

In den nächsten Jahrzehnten nimmt die Altersarmut in Deutschland drastisch zu. Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) werden im Jahr 2025 rund ein Drittel der Renten auf dem Niveau der Grundsicherung liegen. Das entspräche heute rund 580 Euro im Monat. „Es muss gegengesteuert werden“, fordert DGB-Expertin Annelie Buntenbach.

Diese Größenordnung der Altersarmut hält der Rentenfachmann Friedrich Breyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für übertrieben. Denn die Gewerkschaftsprognose berücksichtige mögliche Zusatzeinkünfte nicht, zum Beispiel Betriebsrenten, die private Vorsorge oder auch Zins- und Mieteinnahmen. Zurzeit gelten nur zwei bis drei Prozent der Rentner als arm. Den Trend bestätigt das Institut allerdings auch. „Das Ausmaß der Altersarmut wird sicherlich deutlich zunehmen“, schätzt DIW-Chef laus Zimmermann.

Die Entwicklung hat mehrere Ursachen. Viele Beschäftigte haben legen während ihres Erwerbslebens längere Zwangspausen wegen Arbeitslosigkeit ein oder sie verdienen zu wenig für eine ausreichende Rente im Alter. Zudem wird das Rentenniveau um etwa 15 Prozent gesenkt, damit die Beiträge zur Rentenversicherung für die jüngere Generation im Rahmen bleiben.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers will daher mit Steuergeldern zu geringe Renten aufstocken. Das DIW hat nun einen anderen Weg aus der Altersarmut vorgeschlagen. Breyer schlägt eine Änderung der Rentenformel vor, die bei hohen Renten etwas wegnimmt und dafür die geringeren Ruhegelder aufstockt. Im Modellfall mit einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro kämen für den Arbeitnehmer im Jahr etwa 4.000 Euro weniger Rente heraus. Wer weniger als 35.000 Euro verdient, bekäme mehr. „Die Altersarmut kann so um drei Viertel gesenkt werden“, versichert Breyer.

Der Forscher begründet den Reformvorschlag mit einer Ungerechtigkeit im jetzigen Rentensystem. Die Höhe der Ruhegelder richtet sich nach den geleisteten Beiträgen. Wer wenig einzahlt, bekommt wenig heraus und umgekehrt. Unberücksichtigt bleibt die Dauer der Rentenzahlung. Das DIW will nun die Lebenserwartung in die Berechnung einfließen lassen. Das Institut hat 380.000 Rentenverläufe zwischen 1994 und 2005 untersucht. Dabei kam heraus, dass Arbeitnehmer mit höheren Einkommen auch länger leben, also auch länger Rente erhalten als Geringverdiener. Wer das doppelte vom Durchschnittseinkommen verdient, kann einen vier Jahre längeren Ruhestand erhoffen. Breyer will die längere Zahldauer bei der Berechnung der Rentenhöhen berücksichtigen. Als Folge würden diese hohen Renten sinken, die niedrigen hingegen steigen.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hält von der Idee gar nichts. Begünstige würden vor allem jene, die neben geringen Renten hohe andere Alterseinkünfte wie etwa Pensionen erhielten, kritisierte ein Sprecher. Außerdem bliebe die Bekämpfung von Alterarmut allein an den Versicherten hängen, Beamte, Abgeordnete oder Selbständige müssten nichts dazu beitragen. Dies wäre bei einem steuerfinanzierten Ausgleich von geringen Renten anders.




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