Neue Kleider braucht das Land
Das Projekt SizeGermany ist abgeschlossen/ Jetzt weiß die Bekleidungsindustrie, wie groß und füllig die Deutschen wirklich sind/ Verbesserte Kollektionen mit neuen Maßen könnte es schon nächstes Jahr geben
20. Apr. 2009 –
„Man muss sich nur einmal in seiner Umgebung umschauen!“ Mit diesen Worten kommentiert Susanne Fröse, die eher traurige Entwicklung, dass die Deutschen im Laufe der Zeit immer dicker, aber auch größer geworden sind. Die Schnittdirektrice des Bekleidungsherstellers Mustang hat für das Breiten- und Höhenwachstum der Bundesbürger gleich zwei Gründe parat: das Ernährungsverhalten und die oft fehlende Bewegung.
Mustang ist eines von über 100 Bekleidungs- und Automobilunternehmen, das sich im letzten Jahr an dem Projekt SizeGermany - einer großflächigen Vermessung der deutschen Bevölkerung - beteiligt hat. Aus den Messdaten von insgesamt 13.362 Männern, Frauen und Kindern im Alter zwischen 6 und 87 Jahren erhoffen sich die Firmen Marktvorteile. Denn mit verbesserten Größen können sie ihre Produkte, ob Turnschuh, Autositz oder Minirock, passgenauer an die Frau oder den Mann bringen. Details darüber, wie genau sich die Figuren der Bundesbürger im Laufe der Zeit verändert haben, verraten die Beteiligten nicht. Schließlich hat die Reihenmessung mit modernster Scannertechnologie rund eine Million Euro gekostet. Einige ausgewählte Ergebnisse jedoch, werden der Öffentlichkeit im Rahmen der Weltmesse für Bekleidungstechnik und Textilverarbeitung IMB in Köln heute vorgestellt. Erste neue Mode-Kollektionen könnte es 2010 geben.
Warum SizeGermany insbesondere für die Bekleidungsbranche mit ihren über 32.000 Beschäftigten und acht Milliarden Euro Jahresumsatz so wichtig ist, weiß Rose-Marie Riedl, Pressesprecherin der Hohenstein Institute, die zusammen mit der Human Solutions GmbH das Vermessungsprojekt durchgeführt haben: „Die Schnittkonstruktionen der Hersteller beruhen heute oft noch auf den Körpermaßtabellen die vor rund 40 Jahren ermittelt wurden“, berichtet die Sprecherin. Es sei klar, dass gerade jüngere Männer Probleme hätten, gut sitzende Kleidung zu finden, da sie ja rund sechs Zentimeter größer seien als ihre Großväter.
Ob und wie schnell die Unternehmen die neuen Maße aus der aktuellen Reihenmessung in neue Kollektionen umsetzen, ist unterschiedlich. „Die Reihenmessung ist keine Verpflichtung, sondern nur Basis“, erklärt Werner Blohmann, Leiter der Technischen Produktionsentwicklung bei Schiesser. Auch der Unterwäschehersteller beteiligte sich an der Vermessung und rechnet „frühestens 2010“ mit Kollektionen mit neuen Maßen. „Änderungen sind am ehesten bei den Längenmaßen wahrscheinlich“, prognostiziert Blohmann.
Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin kann ebenfalls von den Daten profitieren. „Erste Änderungen – sofern sie notwendig sind – werden vorraussichtlich ab Winter 2010/11 in der Kollektion umgesetzt sein“, verrät eine Sprecherin.
Aber keine Sorge: Schlagartig wird sich nichts verändern. Das sei den Kunden nicht vermittelbar, beruhigt Expertin Fröse.