Neue Töne aus Großbritannien

Für eine neue Steuer auf Bankgeschäfte spricht sich der Chef der britischen Finanzaufsicht FSA, Adair Turner, aus. Als Reaktion auf die Krise will er mit Hilfe der Tobin-Steuer den „aufgeblähten Finanzsektor“ reduzieren

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Von Hannes Koch

27. Aug. 2009 –

Diese Idee bricht mit der alten Logik der Finanzmärkte. Mehr Geld, mehr Risiko, mehr Profit – so kann es nach Ansicht von Adair Turner, dem Vorsitzenden der britischen Finanzaufsicht FSA, nicht weitergehen. Um den „aufgeblähten Finanzsektor“ nach der Krise zu verkleinern, schlägt der Chef der Financial Services Authority unter anderem die Einführung einer neuen „Steuer auf Finanztransaktionen“ vor.


Im Gespräch mit der Zeitschrift „Prospects“ nannte Turner auch gleich das konfliktträchtige Schlagwort, unter dem diese Idee in Frankreich, Deutschland, Belgien und einigen anderen Ländern bislang bekannt ist: Tobin-Steuer, benannt nach dem US-Ökonomen James Tobin. Der Sinn einer solchen Steuer ist es, die Geschäfte auf den Finanzmärkten zu verlangsamen und einen Teil des Gewinns aus Finanztransaktionen zugunsten des Staates abzuschöpfen.


Bislang war die Tobin-Steuer in Großbritannien kaum bekannt. Das könnte sich nun ändern. Turner, der seit 2005 ehrenhalber den Titel eines Barons von Ecchinswell trägt, hat sich schon früher als Vordenker betätigt. So sitzt er der Regierungskommission für die Bekämpfung des Klimawandels vor. Mitarbeiter von Großbritanniens Schatzkanzler Alistair Darling gingen auf Distanz zu dem Steuervorschlag. Die Regierung versucht, eine starke Regulierung des Finanzwirtschaft zu verhindern, um die Geschäfte der Banken in der Londoner City nicht zu sehr zu beeinträchtigen.


Zur Tobin-Steuer sagte Turner, diese sei „lange Zeit ein Traum von Entwicklungsökonomen und Klimaschützern gewesen“. Wenn andere Maßnahmen wirkten, solle man die Steuer jetzt jedoch als Regulierungsinstrument angesichts der Finanzkrise in Betracht ziehen. Turner räumte allerdings ein, dass es „sehr schwer werde, ein globales Einverständnis darüber zu erzielen“.


Idealtypisch würde die Tobin-Steuer so wirken: Der Staat könnte bestimmte Arten von Geschäften – Spekulation mit Devisen, Papieren oder Aktien – mit einer neuen Steuer belegen. Diese würde den Spekulationsgewinn reduzieren und die entsprechende Transaktion dadurch uninteressanter machen. In einem angenehmen Nebeneffekt nähme der Staat dadurch einige Milliarden Pfund, Euro oder Dollar pro Jahr ein, die er angesichts der horrenden Ausgaben zur Linderung der Finanzkrise gut gebrauchen kann.


Verbreitet wird die Idee seit zehn Jahren von der globalisierungskritischen Organisation Attac. Das französische, kanadische, belgische und österreichische Parlament haben sich mittlerweile dafür ausgesprochen. Im Wahlprogramm der SPD für die Bundestagswahl Ende September findet sich eine Mini-Version der Tobin-Steuer. Eingeführt wurde sie bislang aber nirgendwo. Der Grund: Die Nationalregierungen haben Angst, im Wettbewerb der Börsenstandorte ins Hintertreffen zu geraten. Jedes Land wartet darauf, dass andere, möglichst auch die USA und Großbritannien, mitmachen.


Von der Steuer auf Finanztransaktionen abgesehen, plädiert FSA-Chef Turner dafür, die Gehälter und Boni der Banker durch staatliche Abgaben zu reduzieren und die Vorschriften für Banken zu verschärfen. Diese müssten mehr eigenes Geld in Reserve halten, um ihr Risiko zu reduzieren, sagte Turner. Seiner Ansicht nach ist der Finanzsektor über eine „sozial vernünftige Größe hinaus gewachsen“. Manche der Geschäfte, die Banken und Anlagefirmen tätigten, seien „überflüssig“.


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