Neuromarketing

Marketingexperten nutzen die menschlichen Schwächen zur Verkaufsförderung aus. Unbewussten Wünschen können sich nur die wenigsten ganz entziehen.

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Von Wolfgang Mulke

31. Jan. 2017 –

Die Verpackung des Bio-Brotkorbs mit verschiedenen Sorten Vollkornschnitten vermittelt auf weniger Quadratzentimetern Raum viele Botschaften. Das Wort „Bio“ wirkt wie von Mutti handschriftlich angebracht. Ein Foto zeigt frische Getreidehalme, auf einer Scheibe Brot wecken ein Klacks Frischkäse mit frischem Basilikum und einer aufgeschnittenen Tomate Appetit. Dazu prangen auf der Verpackung mehrere Siegel, eines für Bio, eines für die Umweltorganisation WWF sowie eine Art Stempel, der verspricht, dass der Inhalt „reich an Ballaststoffen“ ist.

Dem Zufall wird bei der Gestaltung nichts überlassen. „Verpackungen verwandeln unattraktive Inhalte in Erlebnisillusionen“, erklärt der Hans-Georg Häusel. Der Diplom-Psychologe hat sich auf das so genannte Neuro-Marketing spezialisiert, mit dem Unternehmen an das Unterbewusstsein ihrer Kunden herankommen wollen, um sie zum Kauf von Waren zu verführen. So signalisiert die Verpackung des Brotkorbs zum Beispiel gesunde Frischware. Das übernehmen Tomate, Kräuter und Biosiegel. „Diese emotionale Produktinszenierungen bringen bares Geld“, erläutert der Experte. Denn die dadurch erzeugte Erwartungshaltung lässt die Verbraucher tiefer dafür in die Tasche greifen. Tatsächlich ist der Inhalt langweilig, trockenes Brot halt. Die Schnitten zerbröseln schnell, wenn man sie trennen will.

Das wissen die Kunden auch spätestens, nachdem sie das Brot einmal ausprobiert haben. Dennoch klappt die Verführung oft mehrmals. Das Gefühl siegt über die Vernunft. "Wer sich an das Herz der

Menschen richtet, wird immer emotional überzeugender sein“, sagt Häusel. Denn der Mensch sei von Natur aus denkfaul. So entscheidet das Unterbewusstsein am Ende, was im Einkaufswagen landet.

Besonders stark ausgeprägt ist diese menschliche Schwäche bei Markenprodukten. Auch wenn sie deren Qualität nicht von der konkurrierender Angebote unterscheidet, geben die Konsumenten dafür gerne mehr Geld aus. Denn Marken besetzen bestimmte emotionale Eigenschaften, die das jeweilige Produkt subjektiv aufwerten. „Sie versprechen Status, Exklusivität und auch Individualität“, erläutert Häusel, der seine Erkenntnisse auch in einem Buch zusammengefasst hat.*

Mit diesem Versprechen grenzen sich einzelne Markenanbieter voneinander ab, wie ein Beispiel der Autoindustrie zeigt. Audi steht laut Häusel für den technischen Vorsprung, BMW für Fahrfreude und Mercedes für Sicherheit und Qualität. Diese Merkmale ließen sich zwar auch bei den Modellen anderer Hersteller finden. Doch mit einem hohen sozialen Status sind sie vor allem bei den deutschen Premiumherstellern verbunden.

Das menschliche Verhaltensmuster erklärt zumindest teilweise auch den Erfolg politischer Populisten. Sie verkaufen zwar keine Waren oder Dienstleistungen, doch sie werben um Stimmen, die sie an die Macht bringen können. Auf die Inhalte kommt es Häusel zufolge nur einem kleinen Teil der Wähler entscheidend an. „Nur 20 Prozent der Menschen bevorzugen eine differenzierte Betrachtung zur Meinungsbildung“, sagt der Hirnforscher. Momentan stünden zum Beispiel Themen wie Sicherheit und Ordnung in der Rangliste der Bürger vor den eigenen materiellen Interessen. „Populisten gehen auf die zentralen Bedürfnisse der Menschen ein“, sagt Häusel. Einfache Botschaften dringen so über das Herz ins Hirn. Donald Trump habe beispielspielsweise auf zwei davon gesetzt: „Wir schaffen das und wir kommen groß raus.“ Damit ist er nun Präsident geworden. Die AfD in Deutschland bedient sich einer vergleichbaren Strategie. Wenig Inhalt, viel Emotion.

Der Reigen manipulativer Tricks, mit denen die Wirtschaft Konsumenten zum Kauf verführen will, ist umfangreich. Einen Teil der Methoden kennt fast jeder; Quengelkassen im Supermarkt oder zu große Einkaufswagen, die zum Kauf von Produkten verführen, die aktuell gar nicht benötigt werden. Immerhin hat Häusel auch eine positive Erkenntnis parat. Auch gewiefte Verführer scheitern beim Verkauf von Kühlschränken am Nordpol. Denn ganz lässt sich die Vernunft der Kunden doch nicht umgehen. „Sie werden einer Oma kein Skateboard verkaufen“, ist sich Häusel daher sicher.

Andere Manipulationen fallen weniger auf. Gut trainierte Verkäufer beherrschen diese Technik gut. Zunächst bauen sie Vertrauen auf, fallen nicht gleich mit ihren Angeboten über die Kundschaft her. Ist der Verkäufer sympathisch, sucht das Unterbewusstsein nach einer Bestätigung für diesen ersten Eindruck. Dabei wird im Hirn ein „Vertrauenshormon“ namens Oxytocin freigesetzt. Es sorgt dafür, dass weniger Misstrauen entsteht. Komplimente und leichte Berührungen verstärken diesen Effekt noch, ebenso die Betonung von Gemeinsamkeiten („den trinke ich gerne selber“). „Tief in unserem Gehirn gibt es einen Steinzeit-Mechanismus“, vermutet Häusel, der für Misstrauen gegenüber Fremden und Vertrauen gegenüber Ähnlichen sorgt.

Ganz entgehen kann den Psychotricks wahrscheinlich kein Verbraucher. Ein paar Vorsichtsmaßnahmen schützen laut Häusel vor unnötigen Ausgaben. „Decken Sie den emotionalen Grund Ihres Kaufwunsches auf“, rät der Experte. Gerade vor teuren Anschaffung empfiehlt er eine kleine Auszeit zum Nachdenken, ob das Produkt wirklich gebraucht wird.

 

* Hans-Georg Häusel, Kauf mich! Wie wir zum Kaufen verführt werden, Haufe, 2013

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