• Autorin Gisela Burckhardt |Foto: privat
    Autorin Gisela Burckhardt |Foto: privat

„Nicht besser als Billigtextilien“

Schlechte Arbeitsbedingungen für Edelmarken wie Hugo kritisiert Autorin Gisela Burckhardt

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Von Hannes Koch

26. Nov. 2014 –

Hannes Koch: Sie sind nach Bangladesch gereist, um zu erfahren, wie unsere Kleidung dort hergestellt wird. Gibt es in der Produktion für teure Marken wie Hugo Boss und Tommy Hilfiger bessere Arbeitsbedingungen als bei Billigtextilien?

 

Gisela Burckhardt: Nein, grundsätzlich sind die Arbeitsbedingungen nicht besser, wenn die Endprodukte teurer verkauft werden. Diese unterscheiden sich in der Qualität der Stoffe und der Verarbeitung, nicht hinsichtlich der Löhne und Arbeitszeiten. Bei unseren Recherchen im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise zwei Fabriken gefunden, die sowohl für Hugo Boss als auch für H&M produzierten. Die Arbeiterinnen fertigten mal für den einen, mal für den anderen.

 

Koch: Sie beschreiben in Ihrem Buch den Arbeitstag einer 23jährigen Näherin, die für Hugo Boss und Tommy Hilfiger in Chittagong arbeitete. Wie sah deren Tag aus?

 

Burckhardt: Diese Näherin stand früh auf, kochte für die kleine Tochter und brachte sie zur Schule. Dann ging sie in die Fabrik, wo die Arbeit um acht Uhr begann. Ein normaler Arbeitstag inklusive Überstunden dauerte bis 19.00 Uhr, manchmal war die Schicht aber auch erst um 21.00 Uhr oder noch später zu Ende. Das sind sehr schwierige Bedingungen für alleinerziehende Mütter. Eigentlich handelt es sich um Zwangsarbeit. Denn die Frauen müssen die Überstunden ableisten. Tun sie es nicht, riskieren sie ihre Arbeitsplätze. Zweitens sind die Löhne so niedrig, dass die Beschäftigten ohne zahlreiche Überstunden nicht über die Runden kommen.

 

Koch: Mehr als 60 Stunden pro Woche sollen Beschäftigte gültigen internationalen Konventionen zufolge nicht arbeiten. Wird diese Grenze in der Produktion für Hugo Boss eingehalten?

 

Burckhardt: Nein, wir haben festgestellt, dass Näherinnen auch bei den Boss-Zulieferern 70 oder 80 Stunden wöchentlich in der Fabrik waren.

 

Koch: Reicht der Lohn dann für ein erträgliches Leben?

 

Burckhardt: Im vergangenen Jahr betrug der Mindestlohn in Bangladesch umgerechnet 30 Euro pro Monat, nun sind es knapp 50 Euro. Die Hälfte dieser Einkünfte brauchen die Arbeiterinnen für die Miete ihrer Wohnung. Der Rest reicht nur für die Grundbedürfnisse. Die dortige Gewerkschaft sagt, mindestens der doppelte Lohn sei nötig, um eine Familie zu ernähren.

 

Koch: Hugo Boss erklärt, Sie hätten mit der Firma keinen Kontakt aufgenommen, bevor Sie Ihr Buch veröffentlichten. Stimmt das?

 

Burckhardt: Ja, das ist richtig. Warum hätte ich die Firma kontaktieren sollen? Mir ging es darum, ein strukturelles Problem aufzuzeigen.

 

Koch: Das Unternehmen argumentiert, es arbeite mit einer der Fabriken nicht mehr zusammen, die Sie kritisieren.

 

Burckhardt: 2013 hat Hugo Boss nachweislich bei diesem Lieferanten fertigen lassen.

 

Koch: Stellt nicht Hugo Boss einen größeren Teil seiner Kleider, Anzüge und Sakkos in Osteuropa und der Türkei her, wo die Bedingungen nicht so armselig sind wie in Bangladesch?

 

Burckhardt: Leider sind die Arbeitsbedingungen auch dort nicht viel besser. Existenzsichernde Löhne werden genauso wenig gezahlt wie in Bangladesch. Arbeiterinnen einer Hugo-Boss-Fabrik in der Türkei mussten sich beispielsweise verpflichten, fünf Jahre lang nicht schwanger zu werden.

 

Koch: Würde die Kleidung in deutschen Geschäften teurer, wenn die Arbeiterinnen in den Produktionsländern doppelten Lohn bekämen?

 

Burckhardt: Der Lohnanteil am Verbraucherpreis von Textilien liegt im Umkreis von wenigen Prozent. Daran sieht man, dass selbst eine Verdoppelung kaum Auswirkungen hätte. Außerdem könnte Hugo Boss die Preise stabil halten und den Arbeiterinnen höhere Löhne aus seinem Gewinn bezahlen. Schließlich betrug die Umsatzrendite im vergangenen Jahr 23 Prozent.

 

Koch: Entwicklungsminister Gerd Müller hat ein Textilbündnis gegründet, um die Arbeitsstandards in den Lieferketten der Konzerne zu verbessern. Kann das helfen?

 

Burckhardt: Dass ein Entwicklungsminister sich zum ersten Mal für existenzsichernde Löhne in der gesamten Lieferkette einsetzt, ist sehr positiv. Leider machen bisher nur wenige Unternehmen mit. Ich nehme aber an, dass noch weitere Firmen beitreten. Tun sie das nicht, sollte die Regierung ein Gesetz schreiben. Darin wäre festzulegen, wie die Unternehmen ihrer Vorsorgepflicht zur Einhaltung von Sozialstandards in den Zulieferfabriken nachkommen. Bei Verletzung müssten sie haftbar gemacht werden können und Schadensersatz zahlen.

 

Info-Kasten

Was sagt Boss?

Zu den Vorwürfen der Buchautorin Gisela Burckhardt erklärte die Pressestelle von Hugo Boss: „Wir arbeiten in Bangladesch mit drei ausgewählten Partnern zusammen, mit denen wir eine vertrauensvolle Zusammenarbeit pflegen. Die Betriebe sind uns daher gut bekannt. Selbstverständlich werden in diesen Betrieben die Hugo Boss Sozialstandards (dies betrifft auch eine entsprechende Entlohnung) eingehalten.“ In seinem Nachhaltigkeitsbericht 2013 verspricht das Unternehmen unter anderem, die Regeln der Internationalen Arbeitsorganisation zu respektieren. Diese sehen auch eine maximale Arbeitszeit von 60 Stunden pro Woche vor. Dem Textilbündnis von Entwicklungsminister Müller ist die Firma bislang nicht beigetreten.

 

Bio-Kasten

Gisela Burckhardt (63) hat gerade das Buch „Todschick. Edle Labels, billige Mode – unmenschlich produziert“ im Heyne-Verlag veröffentlicht (240 S., 12,99 Euro). Sie leitet die Frauenrechtsvereinigung FEMNET, die die Kampagne für Saubere Kleidung mitträgt. Die Kampagne setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen in den Zulieferfabriken der Textilkonzerne ein. Früher arbeitete Burckhardt als Entwicklungshelferin unter anderem für die Vereinten Nationen und die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

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