Offene Baustellen bei neuem Wohnraum

Deutschland braucht 350.000 neue Wohnungen pro Jahr. CDU-Finanzpolitikerin Antje Tillmann kritisiert den Plan der Bundesregierung

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Von Hannes Koch

03. Mär. 2016 –

270.000 Wohnungen pro Jahr müssten in Deutschland gebaut werden, um alle Leute unterzubringen – beispielsweise die wachsende Gruppe derjenigen, die am liebsten alleine wohnen. Diese Zahl aus dem vergangenen Jahr war schon gigantisch, doch nun ist sie definitiv zu klein. Die neuesten Prognosen sagen: Wegen der Zuwanderung sind jetzt jährlich 350.000 zusätzliche Wohnungen nötig. Wird das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen, das die Bundesregierung vorantreibt, diesem Ziel gerecht?

 

Am Donnerstag und Freitag veranstaltet Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) einen Kongress, der praktische Lösungen auf den Weg bringen soll. Über einige verhandelt die Regierungskoalition bereits, kann sich aber noch nicht einigen.

 

Streit gibt es über die geplante steuerliche Förderung für Neubauwohnungen. Diese soll als Anreiz wirken, damit private Bauherren mehr Gebäude errichten und so den Wohnungsmangel lindern. Die Bundesregierung hat die neuen Abschreibungsregeln unlängst beschlossen, doch nun kommt Kritik von Abgeordneten des Bundestages, die zustimmen müssen.

 

Es geht unter anderem um diesen Punkt: Immobilienbesitzer sollen ein Drittel der Baukosten von der Steuer absetzen können. Voraussetzung: Der Quadratmeter Neubauwohnung darf in der Errichtung nicht mehr als 2.000 Euro kosten. Beträgt der Preis bis 3.000 Euro, sind nur 2.000 anrechenbar. Gebäude über 3.000 Euro pro Quadratmeter erhalten die neue Steuerförderung nicht. Mit diesen Grenzen will die Regierung vermeiden, dass zu teure Häuser bezuschusst werden, die sich Normalbürger nicht leisten können.

 

Aber werden die Grenzwerte dem Ziel gerecht? Berlins SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen hat ausrechnen lassen, dass damit luxuriöse Apartments gefördert würden, deren Kaltmiete beispielsweise bei 17 pro Quadratmeter läge – weit jenseits von Beträgen, die die meisten Bundesbürger zu bezahlen in der Lage sind.

 

Manche Abgeordnete des Bundestages sind nicht glücklich mit dieser Aussicht, etwa die Erfurterin Antje Tillmann. Sie ist finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion. „Die Grenze von 3.000 Euro pro Quadratmeter ohne Grundstückskosten für abschreibungsfähigen Neubau erscheint mir sehr hoch. Dabei handelt es sich eher um hochpreisiges Bauen.“ Man habe das Bundesfinanzministerium deshalb gebeten, eine Übersicht der regionalen Baukosten zur Verfügung zu stellen. „Vielleicht ist es ratsam, die Obergrenze regional zu differenzieren und hier und da abzusenken," sagt Tillmann.

 

Aber es gibt auch positive Stimmen in der Union. Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg sagt: „Die geplante Abschreibung erscheint nicht zu großzügig. Die Obergrenze von 3.000 Euro Baukosten pro Quadratmeter wird in vielen Städten für normalen Wohnstandard erreicht, auch in Rostock.“

 

Kritik an der vermeintlichen Luxus-Abschreibung ist hinter vorgehaltener Hand freilich ebenfalls in der SPD zu hören. Mancher Sozialdemokrat fragt sich, ob im Gewand der Wohnungsbauförderung nicht ein neues Steuergeschenk für Wohlhabende und Reiche unterwegs ist. Die Regierung muss sich auf Änderungswünsche aus dem Parlament im Zuge der Aufstellung des Bundeshaushalts für 2017 einstellen.

 

Eine weitere offene Baustelle ist der soziale Wohnungsbau. Für solche Gebäude fließen öffentliche Zuschüsse. Als Gegenleistung dürfen die Besitzer die Mieten nicht beliebig erhöhen. Auch ärmere Bevölkerungsschichten sollen so in den Genuss besseren Wohnraums kommen. Hendricks schwebt eine Balance aus freifinanzierten und sozial gebundenen Neubauten vor. Deswegen möchte sie in den Haushaltsberatungen für 2017 eine abermalige Steigerung der Mittel für Sozialwohnungen durchsetzen.

 

Dazu sagt Unionspolitiker Rehberg: „Wenn Ministerin Hendricks für 2017 eine weitere Milliarde Euro zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus fordert, rate ich dazu, erstmal die bereits vorhandenen Mittel auszugeben und in neue Wohnungen zu investieren. Für 2016 hat die Koalition zusätzlich 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, so dass sich der Ansatz auf gut eine Milliarde Euro verdoppelt hat.“

 

Zur Eröffnung des Kongresses sagte Hendricks, es könnten maximal 80.000 Sozialwohnungen pro Jahr gebaut werden. Bisher sind es weniger als 30.000 jährlich. Die Bauministerin sprach sich gegen ein spezielles Wohnungsprogramm für Flüchtlinge aus, um Neid keine Nahrung zu geben.

 

Wenn es der Bundesregierung gelänge, das 350.000-Wohnungen-Ziel zu erreichen, stiege der Wohnungsbestand um etwa ein Prozent pro Jahr. Insgesamt stehen 40,5 Millionen Wohnungen in Deutschland.

 

Info-Kasten

Bündnis für Bauen

Alle sitzen sie an einem Tisch: Politik, Immobilienverbände, Mieterbund, Gewerkschaften, Unternehmen, Architekten. Das Ziel: Mehr, schneller und billiger neue Wohnungen bauen. Eine Frage dabei: Wie kann man die Baukosten senken oder wenigstens ihre Steigerung eingrenzen? So diskutieren die Experten darüber, Vorschriften und Normen zu verändern: Vielleicht sollte man weniger Stellplätze für Autos vorschreiben, beim Schallschutz flexibler sein und Energiesparen nicht zu groß schreiben. In Kürze will die Bauministerin Ergebnisse vorlegen.

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