Papiertiger

Kommentar

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

13. Nov. 2015 –

Es ist der Bundesregierung nicht gelungen, den kleinen Spartengewerkschaften per Gesetz die Streikmacht zu nehmen. Der längste Streik bei der Lufthansa ist ein guter Beleg dafür: Das Kabinenpersonal kann einen guten Teil des Luftverkehrs lahm legen. Die Piloten der Airline wären dazu auch jederzeit in der Lage, ebenso die Fluglotsen oder das Bodenpersonal. Dabei haben Politiker der großen Koalition versprochen, dass sie mit dem Tarifeinheitsgesetz solche Alleingänge der streikmächtigen Berufsgruppen verhindern. Das Gesetz ist vermutlich dauerhaft nur ein Papiertiger.

 

Grundsätzlich sollen immer nur Tarifverträge mit der Gewerkschaft gelten, die in einem Betrieb die meisten Mitglieder hat. Bei der Lufthansa insgesamt wäre das wohl Verdi. Doch die riesige Dienstleistungsgewerkschaft denkt gar nicht daran, auch für Piloten oder Flugbegleiter Verhandlungen zu führen. Denn diese sind nicht bei Verdi organisiert. Da es auf der Gewerkschaftsseite keine Konkurrenz um die Vertretung einzelner Berufsgruppen gibt, greifen die Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes nicht.

 

Ähnlich sieht es bei den Krankenhäusern aus. Hier ist die Ärztevertretung Marburger Bund der oft gescholtene kleine Bösewicht. Aber auch hier wird das Gesetz nicht zur Anwendung kommen, weil sich Verdi mit den Ärzten praktisch auf ein friedliches Nebeneinander verständigt hat. Beim Verdi-Tarifvertrag sind die jungen Ärzte etwas besser gestellt, beim Marburger Bund die erfahrenen. Damit können die Arbeitgeber auch gut leben. Wo klein Kläger ist, sieht die Tarifeinheit auch keinen Richter vor.

 

Nur bei der Bahn könnte die Tarifeinheit einmal von oben verordnet werden, weil hier zwei Gewerkschaften dieselben Berufsgruppen vertreten. Auch dazu wird es aber kaum kommen, weil die Arbeitgeber dies – zumindest bislang – um fast jeden Preis verhindern wollten. Die Lokführer werden also im Tarifkampf weiterhin streiken, wenn es nötig wird. Das muss nicht so bleiben, wenn eine der beteiligten Seiten den Bogen mal überspannen sollte. Doch unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass das nach viel Getöse und langem Gutachterstreik verabschiedete Tarifeinheitsgesetz sich als überflüssig erwiesen hat.

 

 

 

« Zurück | Nachrichten »