Projekte gegen die Verödung des Landes

Wie sich das Leben in den Dörfern neu erfinden lässt, erklärt das Berlin-Institut für Demografie anhand von Beispielen

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Von Hannes Koch

14. Jan. 2015 –

Viele Menschen auf dem Land kennen das: Der Bus in die Kreisstadt fährt nur zwei Mal täglich. Die alte Ärztin hat ihre Praxis im Dorf schon lange aufgegeben. Und jetzt schließt auch der Lebensmittelladen. In einer ähnlichen Situation wollte Heinz Frey nicht tatenloser Zeitzeuge der Verödung seiner Heimat bleiben. In Barmen, einem Örtchen zwischen Aachen und Köln, initiierte er die Gründung eines „Dorv-Ladens“, der sich mittlerweile zum sozialen Zentrum der Siedlung entwickelt hat.

 

„Dorv“ steht für „Dienstleistung und ortsnahe Rundum-Versorgung“. Die Idee des „Tante-Emma-Ladens des 21. Jahrhunderts“ beschreibt Lehrer und Kommunalpolitiker Frey so: „Wir konzentrieren zahlreiche Angebote an einer Theke.“ In dem Geschäft bekommen die Bürger beispielsweise frisches Fleisch, weitere Lebensmittel und Briefmarken, sie können Pakete aufgeben, Bargeld aus einem Bankautomaten ziehen und das Internet nutzen. Ein kleines Café lädt zum Verweilen ein. In der Nachbarschaft gibt es mittlerweile wieder eine Arztpraxis, die zu bestimmten Zeiten besetzt ist.

 

Der Dorv-Laden in Jülich-Barmen ist eines der Beispiele, die das Berlin-Institut für Demografie und Entwicklung in seiner neuen Studie „Von Hürden und Helden“ beschreibt. Darin analysieren Institutschef Reiner Klingholz und seine MitarbeiterInnen Projekte und Ideen, die die Versorgung und Infrastruktur in den ländlichen Räumen Deutschlands unter schwierigen Bedingungen aufrechterhalten sollen.

 

Denn die Bevölkerung auf dem Land wird durchschnittlich älter und weniger – trotz Zuwanderung aus dem Ausland. In vielen Gebieten Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsens, aber auch Niedersachsens, Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs nimmt die Zahl der Einwohner regelmäßig um ein Prozent pro Jahr ab. Das liegt einerseits am allgemeinen Bevölkerungsrückgang, zum anderen am Zug in die Großstädte, wo es Universitäten, Arbeitsplätze, Kulturangebote und gute öffentliche Dienstleistungen gibt. An die Politik appellierte Klingholz, diese Realität zur Kenntnis zunehmen und das grundgesetzlich verbürgte Versprechen gleicher Lebensverhältnisse für alle Einwohner aufzugeben. Stattdessen müsse es darum gehen, mit neuen, kreativen Konzepten wenigstens eine Grundversorgung in ländlichen Gebieten aufrechtzuerhalten, so Klingholz.

 

Wie man einen Dorfladen gründet und betreibt, kann Heinz Frey nun erklären. Die richtige Rechtsform zu finden und das nötige Startkapital zu besorgen, war nicht einfach. Jetzt aber arbeitet das Geschäft kostendeckend, zwei Vollzeitbeschäftigte und fünf Aushilfen haben Arbeitsplätze. Im Mittelpunkt steht für Frey der „soziale Gewinn“, den der Laden für die Dorfgemeinschaft bringt.

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