Putins Ölkonzern

Welche Rolle Rosneft in Deutschland spielt

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Von Björn Hartmann

05. Mai. 2022 –

Plötzlich geht es ganz schnell. Deutschland unterstützt ein Ölembargo gegen Russland, und in Schwedt im Nordosten der Republik fürchten sie jetzt das Aus für den wichtigsten Arbeitgeber der Region: die PCK-Raffinerie. Sie steht für zehn Prozent der deutschen Kapazität und gehört Rosneft. Hier zeigt sich gerade, wie russische Staatskonzerne versucht haben, die Kontrolle über strategische Infrastruktur in Deutschland zu bekommen. Und wie schwierig es deshalb mit Sanktionen ist. Und dann ist da noch eine brisante Personalie: Den Rosneft-Aufsichtsrat leitet Altkanzler Gerhard Schröder (SPD).

PCK, eine Abkürzung für Petrochemisches Kombinat, steht für zehn Prozent der deutschen Raffineriekapazität und verarbeitet ausschließlich russisches Rohöl, angeliefert durch den nördlichen Zweig der Ölpipeline Druschba (Freundschaft). Sie sollte den Zusammenhalt der Ostblockstaaten zeigen. Aber schon damals ging es eher darum, die DDR abhängig von russischen Rohstoffen zu halten. Seit 1964 liefert Russland durch die Pipeline Öl nach Schwedt.

Nach der Wende teilten sich die Energiekonzerne BP (Großbritannien), Eni (Italien), Shell (Großbritannien/Niederlande), Total (Frankreich) und Rosneft die Anteile. Inzwischen sind BP und Total ausgeschieden, der russische Staatskonzern hält 54,17 Prozent an PCK. Shell wollte 2021 seine 37,5 Prozent an Rosneft verkaufen. Die Genehmigung des Bundeswirtschaftsministeriums steht noch aus, gilt in der aktuellen Lage aber als unwahrscheinlich. Das Parlament berät gerade darüber, das Energiesicherheitsgesetz zu überarbeiten. Dann könnte PCK im Krisenfall unter staatliche Aufsicht gestellt oder Rosneft sogar enteignet werden. Das Konzept geht auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zurück.

Den PCK ist nicht irgendeine Raffinerie. Rund 90 Prozent des Sprits und Heizöls in Berlin und Brandenburg stammen aus Schwedt. Benzin und Diesel werden per Pipeline nach Berlin geliefert. Und aus Schwedt kommt auch Kerosin für den Hauptstadtflughafen BER. Was es zusätzlich kompliziert macht: Die Raffinerie steht für rund ein Drittel der deutschen Ölimporte aus Russland. Um ein Embargo wirkungsvoll durchzusetzen, müsste der Eigentümer gezwungen werden, kein russisches Öl mehr zu verwenden. Schwierig, wenn der Eigentümer der russische Staat ist.

Rosneft entstand 1993 als Ausgründung des Ministeriums für Öl. Damals war Rosneft nur einer von mehreren russischen Ölkonzernen. Das änderte sich, nachdem Wladimir Putin 2000 erstmals russischer Präsident wurde. Er wollte nationale Champions formen. 2004 sicherte sich Rosneft weite Teile des Konkurrenten Yukos, dessen Chef und Hauptaktionär Michail Chodorkowski wegen Betrugs und Steuerhinterziehung ins Gefängnis musste. Der Prozess galt Beobachtern als politisch, um einen möglichen Konkurrenten Putins auszubremsen. Vielleicht ging es aber auch darum, Rosneft zu stärken, seither Russlands Nummer 1 bei Öl. Der Staat hält indirekt 50 Prozent und eine Aktie.

Rosneft ist in Moskau an der Börse notiert. Der Handel in London ist wegen der Sanktionen ausgesetzt. Marktwert zuletzt: umgerechnet rund 60 Milliarden Dollar (57 Milliarden Euro). Der britische Ölkonzern BP, der knapp 20 Prozent der Anteile hielt, stieg aus, der staatliche Investmentfonds Katars bisher nicht.

Nach dem Erdgasförderer Gazprom ist Rosneft der zweitgrößte Staatskonzern Russlands. Geplant war sogar eine Fusion der beiden, die aber scheiterte. Die Geschäfte liefen zuletzt sehr gut. Im Februar verkündete Rosneft Rekordzahlen für 2021. Dank gestiegener Ölpreise und gesunkener Kosten wies das Unternehmen einen Gewinn von umgerechnet 11,9 Milliarden Dollar aus, bei einem Umsatz von 121,1 Milliarden Dollar. Der Konzern beschäftigte rund 356.000 Mitarbeiter. Neben der Ölförderung und dem Raffineriebetrieb ist Rosneft auch im Gasgeschäft tätig. In Moskau residiert das Unternehmen in einem Palast aus der Zarenzeit am Ufer der Moskwa, gegenüber des Kremls.

An der Spitze von Rosneft steht seit 2012 Igor Setschin – ein Vertrauter Putins aus St.-Petersburger Tagen. Setschin leitete dort Putins Büro. Später war er stellvertretender Leiter der Kreml-Verwaltung und von 2008 bis 2012 Vizepremierminister. Das US-Magazin Forbes nannte ihn einmal den Darth Vader des Kreml, nach der Figur aus der Starwars-Serie.

Den Verwaltungsrat führt derzeit Altkanzler Schröder, der Putin zu seinen Freunden zählt. Schröder zog 2017 in das Gremium ein, damals war Rosneft bereits mit Sanktionen belegt, weil Russland die Krim annektiert hatte. Auch ein anderer Deutscher sitzt im Verwaltungsrat: Matthias Warnig, ehemaliger Stasi-Offizier, in den Neunzigern Repräsentant der Dresdner Bank in St. Petersburg und ebenfalls ein Vertrauter des russischen Präsidenten. Warnig war zuletzt Geschäftsführer der inzwischen gescheiterten Gaspipeline Nord Stream 2. Er ist der einzige Deutsche, der auch mit Sanktionen wegen des russischen Kriegs in der Ukraine belegt ist.

Wie das Problem in Schwedt gelöst wird, steht noch nicht fest. Shell will Öl beschaffen, womöglich soll es über die Häfen in Rostock und Danzig geliefert werden. Die Anlage muss neu eingestellt werden, sie ist für russisches Öl optimiert. 1200 Jobs hängen direkt an der Raffinerie, dazu kommen weitere bei Dienstleistern. Und der ein oder andere Autofahrer in der Hauptstadt wird sich auch schon Gedanken machen.

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