Raus aus der Kohle

Der Klimarat der Vereinten Nationen empfiehlt Abschied von fossilen Brennstoffen

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Von Hanna Gersmann

13. Apr. 2014 –

Die Hoffnungen auf die Politik sind groß. Klaus Töpfer, der einstige Chef der UNO-Umweltbehörde Unep, sagt es so: „Einen unkontrollierbaren Klimawandel können wir nur verhindern, wenn der größte Teil der weltweiten Kohlevorräte unter der Erde bleibt. Was Deutschland hier tut oder unterlässt, hat weltweit eine Signalfunktion“. Er fordert zusammen mit der Denkfabrik Agora Energieende einen „Kohlekonsens“.

 

Er bezieht sich auf den Weltklimarat IPCC, der am Sonntag den dritten und letzten Teil seines neuen sogenannten Sachstandsberichts vorgestellt hat. Fünf Jahre lang hat ein Team um den deutschen Klimaforscher Ottmar Edenhofer daran gearbeitet. Es geht darum, welche Maßnahmen helfen können, die Erderwärmung zu bremsen. Die Botschaft ist eindeutig: Tut etwas, und zwar schnell! Und: „Es kostet nicht die Welt, um den Planeten zu retten.“, sagt Edenhofer.

 

Zu möglichen Maßnahmen gehören: Raum für Fußgänger schaffen, Elektrobusse auf die Straße bringen, und sparsame Flugzeuge und Autos entwickeln. Oder: Andere Stoffe als Zement verbauen, der bei der Herstellung viel Energie frisst, und Geräte designen, die nicht nach kurzer Zeit kaputt gehen. Kurzum raten die Experten, das Leben umzukrempeln, damit die Treibhausgase kräftig gemindert werden. Vor allem aber müsse das Energiesystem massiv umgebaut werden – weg von Kohle und Öl.

 

Die ganze letzte Woche haben die IPCC-Wissenschaftler mit Delegierten der UN-Mitgliedstaaten in Berlin die an die Politiker gerichtete Kurzfassung verhandelt. Sie dürfen sie getrost als Warnung verstehen.

 

CO2-Menge nimmt zu

Die wichtigsten Aussagen: Der Ausstoß der Treibhausgase legt derzeit trotz aller bisherigen Klimaschutzbemühungen rasant zu. So sind die Kohlendioxid(CO2)-Emissionen zwischen den Jahren 2000 und 2010 jedes Jahr um 2,2 Prozent gestiegen und damit mehr als zuvor. In den Jahren von 1970 bis 2000 waren es jeweils 1,3 Prozent. Und: 78 Prozent der Zunahme gehen auf die Energieerzeugung und die Industrie zurück. Das hängt mit dem Trend zum Kohlestrom zusammen, auch in Deutschland.

 

Werden Maßnahmen gegen den Klimawandel bis zum Jahr 2030 oder darüber hinaus verzögert, dann wird es sehr schwierig“, sagte Edenhofer. Dann sei das Zwei-Grad-Ziel kaum noch zu erreichen. Dieses Erwärmungslimit im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten gilt unter den Experten noch als beherrschbar für den Menschen.

 

Anstrengungen für einen wirksamen Klimaschutz bedeuteten, so rechnet Edenhofer vor, dass der Wirtschaft 0,06 Prozentpunkte beim Wachstum abgeknapst würden. Dem stünden aber geringere Kosten bei der Anpassung an ein gewandeltes Klima gegenüber. Auch werde die Luft sauberer, der Zugang zu Energie sicherer, das Leben also besser.

 

Die „Schlüsselkomponente für eine kosteneffiziente Entschärfung des Klimawandels“ sei die Neustrukturierung der Energieversorgung. Grob verstehen die Wissenschaftler darunter, die Ökoenergien voranzubringen, skeptisch gegenüber der Atomkraft zu sein und mit aller Vorsicht an die dauerhafte unterirdische Speicherung von Kohlendioxid zu denken. Bekomme die Welt die Emissionen nicht in den Griff, bleibe nur das Geoengineering, eine Art Reinigung der Atmosphäre durch Technik. Noch weiß aber niemand, wie das genau gehen kann.

 

Ein Kapitel widmen die Autoren den weltweit wachsenden Städten. Diese hätten „größte Möglichkeiten“ zur Vermeidung von Treibhausgasen. Tatsächlich wird derzeit allein in China alle zwei Jahre die Wohnfläche von ganz Deutschland neu gebaut. Energieeffiziente Gebäude, kurze Weg zwischen Arbeit und Wohnen – die Stadtplaner sollen den Klimaschutz von vornherein mitdenken.

 

Der Rat spricht allerdings nur Empfehlungen aus. Jetzt sind die Politiker gefragt. Im nächsten Jahr soll ein neuer internationaler Klimavertrag das Kyoto-Nachfolgeabkommen, in Paris beschlossen werden. Wie verbindlich er sein wird, ist offen.

 

Derweil steigen in Deutschland, das sich bereits als Energiewendeland versteht, die CO2-Emissionen wieder an, da billige Kohle Gas verdrängt. Der Staatssekretär im Bundesumweltministerin, Jochen Flasbarth (SPD), sagte am Sonntag:„Wir werden den Kraftwerkspark neu ausrichten müssen.“ Das müsse aber „gut überlegt sein“ und sei nicht „binnen Wochen“ zu machen. Sein Ministerium werde aber noch vor Ostern Eckpunkte für ein „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ vorlegen.

 

Kasten

Der Welltklimabericht unterteilt sich in drei Bände. Die physikalischen Veränderungen des Klimas hatte Arbeitsgruppe 1 analysiert, der Teil liegt schon seit September vergangenen Jahres vor. Demnach ist die Durchschnittstemperatur an der Erdoberfläche zwischen 1880 und 2012 um 0,85 Grad Celsius gestiegen, haben sich die Ozeane erwärmt und sind die Gletscher geschrumpft. Ende März diesen Jahres hat die Arbeitsgruppe 2 dann ihren Teil zu den Auswirkungen des Klimawandels vorgelegt. Deren Erkenntnisse lauten in Kürze: Für mehr Menschen wird das Wasser knapp, vor allem in den Subtropen. Einbußen bei der Ernte sind wahrscheinlicher als wachsende Erträge. Hitze, Feuer, Unterernährung und Wassermangel können mehr Krankheiten verursachen. In Großstädten werden Hitzestress und Extremregen zunehmen. Tiere und Pflanzen könnten aussterben, weil sich Klimazonen verschieben.

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