Reserve unter der Erde

Wie sich die Rolle der Gasspeicher gewandelt hat

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Von Björn Hartmann

07. Nov. 2022 –

Rechtzeitig vor dem Winter sind Deutschlands Gasspeicher fast vollständig gefüllt – schneller als gedacht. Reicht die Menge, um Firmen und Haushalte durch den Winter zu bringen? Und was passiert mit dem weiteren, bereits georderten Gas? Fallen eventuell sogar die Preise? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Woher kommt das Gas, das Deutschland gerade einspeichert?

Noch 2021 lieferte Russland mehr als 50 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases, im Sommer waren es noch 26 Prozent. Seit August kommt nichts mehr durch die Pipelines. Seither bezieht die Bundesrepublik das meiste Erdgas aus Norwegen. Zudem liefern die Niederlande und Belgien Gas. Beide Länder verfügen über Häfen, in denen Flüssiggas, vor allem aus den USA, anlandet. Gut ein Zehntel des deutschen Gasbedarfs stammt aus heimischer Förderung.

Wofür sind die Speicher nötig?

Üblicherweise sind Gasspeicher wichtig für den Markt. Der Betreiber vermietet Teile an Gashändler. Diese kaufen Gas, lagern es ein und verkaufen, wenn der Preis gestiegen ist. So werden unter anderem kurzfristige Verbrauchsspitzen im Gasnetz ausgeglichen. Weil Gas in der Regel im Sommer günstig ist und im Winter teurer, weil es mehr nachgefragt wird, füllen die Händler die Speicher bis zum Herbst, um dann bis zum Frühjahr mehr zu verkaufen als neu einzulagern. In diesem Jahr ist aber alles anderes: Russland hat die Ukraine angegriffen. In der Folge nutzt es die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von seinen Gaslieferungen als Waffe. Zuletzt lieferte es gar nicht mehr. Die Gaspreise stiegen deshalb im Sommer auf Rekordhöhen, der Markt funktionierte nicht mehr. Die Bundesregierung verpflichtete deshalb die Speicherbetreiber per Gesetz, bis zum Winter bestimmte Füllmengen zu garantieren, damit Deutschlands Industrie durch den Winter kommt und niemand frieren muss.

Wie voll sind die Gasspeicher?

Die Bundesregierung hatte für den 1. November einen Zielwert von 95 Prozent vorgegeben. Deutschlands Gasspeicher waren am Freitag mit 99,19 Prozent nahezu vollständig gefüllt. Einzelne Speicher lagen allerdings noch leicht unter den 95 Prozent, unter anderem, weil sie sehr groß sind und es länger dauert, sie zu füllen.

Wie viele Gasspeicher gibt es in Deutschland und welche Kapazität haben sie?

In Deutschland gibt es nach Angaben der Initiative Energie speichern (Ines) etwa 44 unterirdische Gasspeicher. Insgesamt stehen in Deutschland rund 23 Milliarden Kubikmeter Speicherkapazität zur Verfügung, das reicht für etwa 256 Terawattstunden und entspricht rund einem Viertel des deutschen Jahresverbrauchs 2021. Im europäischen Vergleich besitzt Deutschland rund 22 Prozent der Speicherkapazität. Weltweit liegt die Bundesrepublik auf Platz vier nach den USA, der Ukraine und Russland. Oberirdische Gasspeicher dienen oft als Puffer etwa für ein Kraftwerk oder eine Fabrik. Für die Versorgung Deutschlands sind sie vernachlässigbar.

Wo liegen die Speicher?

Der größte Gasspeicher Deutschlands ist ein ehemaliges Erdgasfeld in Niedersachsen. 2000 Meter unter Rehden liegt gut ein Sechstel der deutschen Speicherkapazität. Weitere große Speicher liegen im ostfriesischen Etzel, bei Gronau an der niederländischen Grenze, in der Nähe von München und bei Halle/Saale. Große Speicher gibt es auch bei Hannover und nahe Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern.

Was passiert mit dem Gas, das importiert wird, wenn die Speicher voll sind?

Auch wenn die Speicher gefüllt werden mussten und Haushalte und Unternehmen bis zu 20 Prozent Gas sparten – vor allem die Wirtschaft verbrauchte für sogenannte Prozesswärme und als Rohstoff in großen Mengen Gas. Und auch die Haushalte heizten und kochten mit Gas. Dieser Bedarf ist weiterhin da. Sind die Speicher voll und wird weiter mehr eingeführt, als zunächst benötigt wird, greift der Marktmechanismus: Das große Angebot dämpft die Preise. Gas wird billiger, die Nachfrage steigt. Das zusätzlich importierte Gas wird also sehr wahrscheinlich verbraucht – oder meist zum Tagespreis an die Nachbarn Deutschlands verkauft, die ebenfalls Gas speichern. Sinken die Preise unter einen bestimmten Wert, kann es für Lieferanten von Flüssiggas (LNG) interessant sein, Schiffe gar nicht erst zu entladen, sondern auf Reede zu warten, bis die Preise wieder angezogen haben. Weil es auch bei einem milden Winter kälter wird und geheizt werden muss, wird der Verbrauch aber zwangsläufig steigen.

Wie lange kann das Gas gespeichert werden?

Im Prinzip beliebig lange. Die unterirdischen Speicher, zum Beispiel Hohlräume in Salzstöcken und ehemalige Gaslager, sind dicht, sonst taugten sie nicht als Speicher.

Wie lange reicht das gespeicherte Gas?

Wesentlich sind die Temperaturen in diesem Winter. Sollte es mild blieben, kommt Deutschland gut bis in den März. Wird es sehr kalt, leeren sich auch die Speicher schnell. Die Bundesnetzagentur warnt deshalb in ihrem Bericht vom 4. November zur Gaslage, ein Mangel im Winter könne nur vermieden werden, wenn das Sparziel von mindestens 20 Prozent weiterhin erreicht werde. Und die Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven und Lubmin müssen im Dezember fertig sein. Danach sieht es zumindest an der Nordsee aus.

Was passiert, wenn das gespeicherte Gas nicht ausreicht und nicht genug nachgekauft werden kann?

In einem Solchen Fall kann die Bundesregierung die Notfallstufe ausrufen. Dann bestimmt die Bundesnetzagentur, wer Gas bekommt und wer nicht. Private Haushalte und soziale Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser, Haushalte und jene Gaskraftwerke, die auch Haushalte mit Wärme versorgen sind geschützt. Es wird also vor allem die Wirtschaft treffen. Dafür gibt es bereits Pläne, zu Einzelheiten äußert sich die Bundesnetzagentur nicht.

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