Satter Gehaltssprung in Chefetagen

Topmanager verdienen 2021 rund 24 Prozent mehr

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Von Björn Hartmann

29. Sep. 2022 –

Für Deutschlands Spitzen-Manager ist 2021 großartig gelaufen. Die Gewinne stiegen auf einen Rekordwert und in der Folge auch die Managerbezüge. Satte 24 Prozent mehr erhielten die Vorstandsmitglieder im Durchschnitt. Und sie profitierten deutlich stärker als ihre Mitarbeiter, wie der Vergütungsbericht der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zeigt. Der Spitzenverdiener erhielt 19 Millionen Euro. In diesem Jahr dürfte es dagegen schlechter aussehen: Hohe Inflation, dramatische Energiepreise, Lieferprobleme belasten die Firmen.

Untersucht hat die Technische Universität München im Auftrag der DSW die Vorstandsgehälter der großen börsennotierten Firmen im Deutschen Aktienindex Dax und der mittelgroßen Firmen im MDax. 2020 waren die Gewinne noch eingebrochen, das Geschäft lief wegen Corona schlecht. 2021 dagegen stiegen sie um 122 Prozent auf rund 170 Milliarden Euro. Gunther Friedl, Professor für Controlling an der TU München und Leiter der Studie, sprach angesichts der Zahlen von einem historischen Charakter. Und sie ließen die Gehälter steigen.

Im Schnitt verdiente jedes Dax-Vorstandsmitglied im vergangenen Jahr 3,92 Millionen, fast ein Viertel mehr als ein Jahr zuvor. Friedel bezeichnete das Plus als sehr stark. Allerdings hatten viele Manager im schlechten Corona-Jahr 2020 auf einen Teil des Gehalts verzichtet. 2021 war das nicht mehr so. Den größten Gehaltssprung machte das Führungsteam des Sportartikelherstellers Adidas: ein Plus von 190,7 Prozent auf im Schnitt 4,55 Millionen Euro. Bei Puma, dem Konkurrenten und Nachbarn in Herzogenaurach, hingegen schrumpften die Bezüge der Chefetage um 29,7 Prozent auf 3,02 Millionen Euro.

Frauen und Männer in den Vorstandsetagen werden unterschiedlich bezahlt. Ohne Vorstandsvorsitzende – nur ein Dax-Unternehmen, Merck, wird von einer Frau geführt – verdienten die Manager im Schnitt 3,5 Millionen Euro, die Managerinnen 3,6 Millionen. Nur jedes fünfte Vorstandsmitglied ist eine Frau.

Die Gehälter der Mitarbeiter in den Dax-Konzernen stiegen nicht im gleichen Maße wie die Chefgehälter. Die Beschäftigten bekamen dem Vergütungsbericht zufolge im Schnitt 78.000 Euro. Ein Führungsmitglied verdiente damit das 53fache eines Mitarbeiters – in den Jahren zuvor waren es zwischen dem 45- und 47fachen.

Besonders groß ist die Lücke beim Sportartikelhersteller Adidas. Die Topmanager verdienen im Schnitt das 114fache der Mitarbeiter. Bei Daimler Truck ist es gerade einmal das 13fache. Marc Tüngler, Geschäftsführer der DSW, sieht hier einiges an Brisanz. Der deutliche Unterschied in den Gehältern ist für ihn auch ein Fall für die Aufsichtsräte. Die müssen sich nach dem Gesetz damit beschäftigen. Ob das etwas ändert, ist nicht sicher. Es gibt keine Handlungspflicht.

Spitzenverdiener unter den Dax-Chefs war 2021 demnach Steve Angel vom Gasehersteller Linde. Insgesamt bezog er 19,43 Millionen Euro. Deutlich dahinter auf Platz 2 der Liste steht Herbert Diess, der inzwischen ausgeschiedene streitbare Chef des Volkswagen-Konzerns mit 11,54 Milliarden Euro. Ebenfalls mit deutlichem Abstand folgt auf Rang 3 Christian Klein, Chef des Softwarekonzerns SAP mit 9,15 Millionen Euro.

Adidas-Chef Kasper Rorsted schaffte es trotz des üppigen Gehaltszuwachses im gesamten Vorstand mit 8,99 Millionen Euro nur auf Rang 4. Im kommenden Jahr wird der Däne den Konzern vorzeitig verlassen.

Unter den Topverdienern findet sich auch der Chef des Dax-Neulings Qiagen. Thierry Bernard bekam 2021 rund 8,39 Millionen Euro. Ganz am Ende der Liste: der Online-Modehändler und Technologieriese Zalando. Die Berliner sind ebenfalls erst im Herbst in den Dax aufgestiegen, wurden ein halbes Jahr lang von drei, zuletzt von zwei gleichberechtigten Chefs geführt. Im Schnitt kosteten sie das Unternehmen im vergangenen Jahr dem DSW-Bericht zufolge 78.000 Euro. Im Durchschnitt bekam ein Konzernchef im Dax rund 6,1 Millionen Euro. Im MDax waren es 3,1 Millionen Euro.

Was viel erscheint, ist im internationalen nicht ganz so viel. So verdienten die Vorstandschefs der Firmen, die im Schweizer Börsenindex SMI notiert sind, im Schnitt 6,5 Millionen Euro. Bei Firmen im französischen CAC40 waren es 7,81 Millionen Euro. Alles noch nichts im Vergleich zu Firmenlenkern in den USA: Die Konzerne im Dow Jones zahlten ihren Chefs im Schnitt umgerechnet 27,34 Millionen Euro. Spitzenverdiener in den USA war Pat Gelsinger, Chef des Chipherstellers Intel. Er erhielt umgerechnet rund 98 Millionen Euro.

Da könnte einige Manager oder Managerinnen schon auf die Idee kommen, dass ein Wechsel in Ausland angezeigt ist. Abgesehen davon, dass es auch Firmen geben muss, die deutsche Manager einstellen: Vergütung ist nicht alles. Denn das Arbeitsumfeld im Ausland ist offenbar deutlich rauer. DSW-Chef Tüngler erwähnt etwa andere Vertragslaufzeiten und vor allem größere Haftung. „Das Vorstandsmitglied in Deutschland arbeitet eher auf der ruhigen Seite.“

Seit 2000 lässt die DSW jedes Jahr erheben, was die Vorstandsmitglieder in Deutschlands größten börsennotierten Unternehmen verdienen. Für 2021 war es besonders aufwändig, weil sich der rechtliche Rahmen geändert hat. Die Vorstandsgehälter sollten vergleichbarer werden und vor allem klarer sein, wie sie sich zusammensetzen. „Statt mehr Transparenz und Verständlichkeit hat das Gesetz einen kaum durchschaubaren Datendschungel gebracht“, sagt Marc Tüngler, Chef der DSW. Er verspricht sich einiges von neuen EU-Standards, an denen die Kommission arbeitet. An diesem Donnerstag gibt es ein Treffen in Brüssel dazu.

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