Schäuble mit erstem schuldenfreien Haushalt seit 1969
Finanzministerium weist Vorwurf des Griffs in die Sozialkasse zurück. Bundesetat 2015 ohne Defizit. Investitionen reichen nicht, um Substanzverlust auszugleichen
07. Mär. 2014 –
Die Bundesregierung wehrt sich gegen den Vorwurf, ihren Haushalt nur durch einen Griff in die Sozialkassen ausgleichen zu können. Der Bund gebe nicht weniger, sondern mehr Geld für soziale Zwecke aus, sagte Finanzstaatssekretär Werner Gatzer am Freitag, als er die neuen Zahlen für den Bundeshalt 2014 und die Finanzplanung präsentierte. So steige der Anteil der Sozialausgaben an den gesamten Bundesausgaben von knapp 50 Prozent in diesem Jahr auf 52 Prozent 2018.
Nach einer Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro 2014 will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) 2015 mit dem Geld auskommen, das er hat. Dass die Ausgaben die Einnahmen nicht mehr übersteigen, soll unter anderem ein geringerer Zuschuss des Bundeshaushaltes an den Gesundheitsfonds ermöglichen, aus dem sich die Krankenkassen finanzieren. 2014 fließen 3,5 Milliarden Euro weniger, nächstes Jahr 2,5 Milliarden.
„Das ist ungerecht und unsolide“, kritisierte Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler. Gatzer entgegnete, der Gesundheitsfonds verfüge über ein ausreichend dickes Polster. Weil eine Erhöhung der Sozialbeiträge deshalb nicht notwendig würde, belaste der geringere Zuschuss die Arbeitnehmer nicht.
Schäuble und Gatzer rühmen sich, 2015 „erstmals seit 1969“ einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden aufzustellen. Einnahmen und Ausgaben sollen bei jeweils knapp 300 Milliarden Euro liegen. Möglich macht dies die positive Wirtschaftsentwicklung seit 2010. Deutschland exportiert inzwischen soviel, dass andere Staaten sich beschweren. Die Arbeitslosigkeit hierzulande sinkt, die Steuereinnahmen steigen.
Bis 2018 – soweit reicht die Planung – sollen zusätzliche Schulden nicht mehr notwendig sein. Einnahmen und Ausgaben steigen bis auf knapp 330 Milliarden Euro in 2018. Die Schuldenquote des Gesamtstaates sinkt von heute 78 Prozent auf etwa 75 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.
Voraussetzung: Die gute Entwicklung hält an. Nur darauf verlasse sich Schäuble, bemängelte Kindler. „Strukturelle Erhöhungen von Einnahmen und Kürzung von Ausgaben vermeidet der Finanzminister völlig“. Beim möglichen Abbau von umweltschädlichen Subventionen passiere beispielsweise gar nichts, so Kindler.
Erstaunlich: Trotz der guten Lage steigen die in der Finanzplanung des Bundes ausgewiesenen Investitionen kaum. In diesem Jahr sollen sie 26 Milliarden Euro betragen, 2018 mit 27 Milliarden Euro nur wenig mehr. Diese Sparsamkeit bei Straßen, Schienen, Datenleitungen und Bildungseinrichtungen widerspricht den Empfehlungen beispielsweise des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Gegenwärtig gebe Deutschland jährlich etwa 75 Milliarden Euro zu wenig aus, um seine Substanz zu erhalten, sagt das DIW.
Um das zu finanzieren, müsste Schäuble eigentlich die Steuereinnahmen erhöhen oder bestimmte Ausgaben viel stärker zusammenstreichen, als er es tut. Die große Koalition hat sich jedoch darauf verständigt, in dieser Hinsicht nichts zu unternehmen.