Schuldenschnitt oder Weiterwursteln

Eine so hohe Verschuldung wie die griechische kann kein Land tragen. Auch Deutschland nicht

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Von Hannes Koch

20. Nov. 2012 –

Sondersitzungen im Bundestag am Mittwoch: „Griechenland kostet zusätzliches Geld“, sagt SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider. Die Finanzminister der Euro-Gruppe berieten am Dienstag Abend, wie sich weitere 14 Milliarden Euro für das notleidende Land auftreiben lassen. Eine grundsätzliche Lösung könnte darin bestehen, Griechenland einen Teil seiner Schulden zu erlassen. Unsere Zeitung beantwortet zentrale Fragen.


Warum braucht Griechenland schon wieder neues Geld?

Durch die Sparmaßnahmen schrumpft die Wirtschaftsleistung. Weil die Regierung weniger Steuern erhält, als erwartet, muss sie zusätzliche Kredite aufnehmen, anstatt diese abzubauen. Trotz aller Gegenmaßnahmen wächst der Schuldenberg weiter. Die Lage des griechischen Staates und seiner Bürger wird schwieriger, nicht einfacher.


Was würde passieren, wenn Deutschland in einer ähnlichen Lage wäre?

Ein rechnerischer Vergleich: Hätten wir so hohe Schulden wie Griechenland (170 Prozent der Wirtschaftsleistung), betrüge die Summe hierzulande etwa 4.250 Milliarden Euro. Müsste die Bundesregierung dafür einen Durchschnittszins von vier Prozent zahlen, schlüge die Zinsbelastung mit etwa 170 Milliarden Euro pro Jahr zu Buche. Der Bundeshaushalt umfasst aber nur gut 300 Milliarden Euro. Wenn die Regierung solche Zinssummen bedienen wollte, müsste sie alles Geld einsetzen, das sie heute für die Bundeswehr, die Rente und die Bildung ausgibt. Eine solche Belastung kann kein Staat schultern, auch nicht der griechische.


Der Schuldenschnitt als Medizin?

Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds ist dafür, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dagegen. Vorteil eines Schuldenschnitts: Wenn man den Griechen die Hälfte ihrer Schulden erlässt, kann der Staat investieren, um etwas gegen die Wirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit zu tun. Nachteile: Man entlässt die Griechen aus dem Schwitzkasten der Sanierungsanstrengung. Für die meist staatlichen Gläubiger wird es teuer. Im Falle eines 50prozentigen Schuldenerlasses muss Deutschland etwa 17,5 Milliarden Euro zahlen.


Gibt es historische Vorbilder?

Ab Ende der 1990er Jahren wurde beispielsweise 39 Entwicklungsländern ein Großteil ihrer Staatsschulden erlassen. Deutschland beteiligte sich an dieser so genannten HIPC-Initiative. Das Vorhaben wird als Erfolg betrachtet, vielen dieser Länder geht es nun besser. Sie können die knappen öffentlichen Mittel in den Aufbau einer funktionierenden Verwaltung und der Bildung investieren.


Welche anderen Möglichkeiten gibt es?

Wahrscheinlich gibt man der griechischen Regierung auf dem Papier zwei Jahre länger Zeit, um die Haushalts- und Sparziele zu erreichen. Dies kostet Gläubiger wie Deutschland zunächst weniger Geld.


Ist das Problem damit gelöst?

Vermutlich nicht, denn die griechischen Staatsschulden steigen weiter. Die Frage nach einem Schuldenschnitt und einem dritten Hilfspaket für Athen bleibt auf der Tagesordnung. Beantwortet wird sie vermutlich erst nach der Bundestagswahl.

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