Sicher ohne Kohle
Vor der Klima-Konferenz von Paris kündigt die Allianz einen teilweisen Rückzug aus Investitionen in die Kohle-Industrie an
24. Nov. 2015 –
Rund vier Milliarden Euro will die Allianz-Versicherung aus der klimaschädlichen Energieerzeugung abziehen. „Die Allianz steigt aus der Kohle aus“, sagte Andreas Gruber, der Chefinvestor des Finanzkonzerns in der ZDF-Sendung Frontal21 am Dienstagabend. „Wir werden nicht mehr in Bergbau- und Energieunternehmen investieren, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes beziehungsweise ihrer Energie-Erzeugung aus Kohle generieren.“
Das Unternehmen, das zu den größten Kapitalanlegern weltweit gehört, setzt damit ein Zeichen vor der Klimakonferenz, die in wenigen Tagen in Paris beginnt. Zwei Gründe für die Entscheidung nannte Allianz-Sprecher Nicolai Tewes: „Erstens Klimaschutz. Zweitens nehmen wir an, dass Investments in Kohle-Industrien künftig nicht mehr die Renditen erbringen, die unsere Kunden für ihre Altersvorsorge erzielen möchten.“ Der Konzern teilt damit die Einschätzung von Umweltorganisationen, die sich für das sogenannte Divestment aussprechen. Kapitalanlagen in fossile Energie stellen demnach ein zunehmendes Risiko für Investoren dar. Hinzu kommt: Als Versicherungsunternehmen weiß die Allianz, welche horrenden Kosten Klimaschäden verursachen können.
Schon während der kommenden sechs Monate will die Allianz Aktien von Kohle-Konzernen verkaufen. Das sei aber nur ein kleinerer Teil der betroffenen Investitionen. Außerdem sollen in den kommenden Jahren große Summen anders investiert werden, die bisher in Anleihen von Kohle-Unternehmen stecken. „Bei festverzinslichen Anlagen werden wir keine Verkäufe tätigen, aber wir werden unsere bestehenden Investments auslaufen lassen“, erklärte Gruber.
Statt in Kohle-Bergbau und -verarbeitung werde man Geldanlagen in Windenergie massiv ausbauen. Gruber: „Wir haben bis heute etwa zwei Milliarden Euro in Windenergie investiert und wir haben vor, diesen Betrag über die nächsten Jahre zu verdoppeln. Hier erwarten wir eine Rendite von fünf bis sechs Prozent für unsere Kunden.“
Die neue Strategie gilt für eigene Investments der Allianz. Diese umfassen gegenwärtig etwa 630 Milliarden Euro. Mit diesen Summen muss die Versicherung ausreichende Gewinne erwirtschaften, um die Lebensversicherungen und Altersversorgung für Millionen Kunden zu finanzieren. Bei Kapitalanlagen im Auftrag externer Investoren, beispielsweise in den Töchtern Pimco und Allianz Global Investors, ändert sich einstweilen nichts.
Trotzdem dürften sich für manche der traditionellen Energiekonzerne nun die Rahmenbedingungen verschlechtern. Aktien des Kohle-Konzerns RWE müsste die Allianz abstoßen, was den Wert der Firma verringern könnte. Ohnehin klagte RWE-Chef Peter Terium kürzlich darüber, dass es schwer sei, Kapital aufzunehmen. Und wenn E.ON seine Kohlekraftwerke bald in die neue Tochter Uniper auslagert, wird die Allianz nicht zu den Investoren gehören.
Die Allianz ist einer der ersten großen, global tätigen Investoren, die systematisch Abschied von der Kohleindustrie nehmen. Zum teilweisen Abzug von Kapitalanlagen aus Unternehmen der fossilen Energien hatten sich früher beispielsweise der norwegische Staatsfonds und der Versicherungskonzern Axa bekannt.
Andere große deutsche Investoren können sich zu diesem Schritt noch nicht durchringen. Die Deutsche Bank erklärte am Dienstag lediglich, sie unterstütze „insgesamt ein ausgewogenes Energiekonzept und berücksichtigt dabei sowohl wirtschaftliche als auch ökologische und soziale Aspekte“. Deutschlands Banken und Investoren seien im internationalen Vergleich stark an der Finanzierung der Kohleindustrie beteiligt, erklärte die Umweltorganisation Urgewald. So habe die europäische Braunkohle allein zwischen 2010 und Mitte 2015 aus Deutschland rund 8,7 Milliarden Euro durch Kredite und Aktienkäufe erhalten. Unter den deutschen Kreditgebern ist laut Urgewald die Deutsche Bank führend, die im Untersuchungszeitraum etwa 3,3 Milliarden Euro in die klimaschädliche Industrie steckte.
Umweltorganisationen wie 350.org und Carbon Tracker fordern, das Divestment über die Kohle hinaus auf alle fossilen Energieträger auszudehnen. Ihr Argument: Milliarden Euro Kapitalanlagen in Unternehmen der Kohle-, Erdöl- und Erdgasindustrie seien gefährdet, weil die traditionellen Energiekonzerne die erhofften Gewinne künftig nicht mehr erzielen könnten. Die weltweiten Anstrengungen zum Klimaschutz zwängen sie dazu, einen Großteil der Kohle-, Öl- und Gasvorkommen im Boden zu lassen.
Tausende von Investoren haben sich der Divestment-Kampagne bereits offiziell angeschlossen, viele davon in den USA und Großbritannien. Meistens sind es jedoch kleinere und mittlere Finanzanleger wie Kommunen, Kirchengemeinden, Universitäten und Stiftungen. Nach Schätzungen von Arabella Advisers, einer US-Beratung für ethisches Investment, bekennen sich bislang Anleger zum Divestment, die über 2.600 Milliarden Dollar Kapital verfügen. Wieviel bisher tatsächlich aus fossilen Investitionen abgezogen wurde, weiß man jedoch nicht.