Sinn und Unsinn des Energieausweises für Häuser

Eigentümerverband kritisiert die angeblich irreführende Energie-Einstufung von Gebäuden. Umweltministerium ist offen für eine Renovierung der Verordnung

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Von Hannes Koch

23. Sep. 2015 –

Ob die Wohnung im grünen oder roten Bereich ist, sieht man sofort. In Anlehnung an die Farben der Ampel zeigt der Energieausweis für Gebäude, wieviel Energie Heizung und Warmwasser verbrauchen. Mieter und Wohnungskäufer sollen auf diese Art günstige Wohnungen finden - und Immobilienbesitzer Anreize für klimafreundliche Sanierungen erhalten. Dass diese positiven Effekte eintreten, bezweifelt Haus & Grund, der Verband der Immobilienbesitzer, jedoch stark.

 

„Der Aussagewert“ des Energieausweises sei in vielen Fällen „gleich null“, sagte am Mittwoch Verbandsgeschäftsführer Kai Warnecke. Hauseigentümer warnte er davor, die Einstufung ihrer Immobilie in die Energieklassen A (energiesparend) bis H (energieverschwendend) zur Grundlage von Investitionsentscheidungen zu machen. Er empfahl dringend, unabhängige Energieberater zu kontaktieren, um eine realistische Einschätzung der jeweiligen Gebäudes zu erhalten.

 

Das vernichtende Urteil will das Bundesumweltministerium allerdings nicht auf sich sitzen lassen. „Energieausweise sind für Eigentümer, Kaufinteressenten und Wohnungssuchende wichtig und auch aussagekräftig“, sagte ein Sprecher gegenüber dieser Zeitung.

 

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) gilt in der aktuellen Fassung seit Mai 2014. Bei der Vermietung oder dem Verkauf von Immobilien müssen die Besitzer den Energieausweis grundsätzlich vorlegen. Bestimmte Angaben müssen auch in den Immobilienanzeigen in Medien enthalten seien.

 

Um die Praxistauglichkeit zu testen, hat Haus & Grund nun ein durchschnittliches Mehrfamilien- und ein Doppelhaus von jeweils mehreren Energieberatern berechnen und einstufen lassen. „Die ermittelten Energiekennwerte differierten dabei um bis zu 46 Prozent“, sagte Warnecke. Eine Ursache dafür seien mehrere Berechnungsverfahren, die parallel angewendet werden dürften.

 

Tatsächlich können sich die Hausbesitzer entscheiden, ob sie den Mietern oder Käufern die energetische Einstufung des Gebäudes nach der Bedarfs- oder Verbrauchsmethode vorlegen. Im ersten Fall dienen Gebäudefläche und beispielsweise technische Daten der Heizung als Basis, im zweiten Fall orientiert sich der Energieausweis am Verbrauch der bisherigen Nutzer. Die Werte können sich erheblich unterscheiden, unter anderem weil beim Verbrauch das individuelle Verhalten eine Rolle spielt.

 

Als Konsequenz forderte der Immobilienverband, die Berechnungsmethode zu vereinfachen. Geschäftsführer Warnecke bezeichnete die Einstuftung anhand des Verbrauchs als „objektiver“ und realistischer. Deshalb solle diese die Bedarfsberechnung ersetzen. Einerseits verteidigte das Umweltministerium den bisherigen Energieausweis zwar, andererseits zeigte man sich aber offen für eine Reform: „Im Zuge der Vorbereitung der EnEV-Novelle 2017 werden die Energieausweise und die Effizienzklassen im Hinblick auf eine Verbesserung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit überprüft“, sagte der Sprecher.

 

Gleichzeitig plädierte Haus & Grund dafür, strengere Anforderungen an die Energieberater zu stellen. Die Testberechnungen hätten ergeben, dass sich manche der angeblichen Spezialisten mit den Verfahren wenig auskennen. Tatsächlich darf sich heute jeder „Energieberater“ nennen. Das Berufsbild ist nicht geschützt. Qualifikationen und Zertifikate müssen selbsternannte Experten nicht unbedingt vorweisen. Diesen Mangel hat inzwischen auch die Bundesregierung erkannt. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium prüft deshalb, ob „Energieberater“ als Berufsbild definiert wird.

 

Hausbesitzer, die sicher sein wollen, einen soliden Experten zu engagieren, können sich an der Liste der Energie-Effizienz-Experten der Deutschen Energie-Agentur (Dena) orientieren. Die darin verzeichneten Energieberater müssen regelmäßig nachweisen, dass sie sich in energetischer Sanierung weiterbilden. Außerdem sollen die Experten der Liste Interessenkonflikte vermeiden. Sie dürfen nicht im gleichen Gebäude mit Beratung und beispielsweise dem Einbau einer neuen Heizung Geld verdienen.

 

Haus & Grund empfiehlt zudem, vor allem Architekten als Energieberater zu beauftragen. Bei diesen seien Interessenkollisionen ausgeschlossen – im Gegensatz zu Handwerkern, die gleichzeitig als Energieberater aufträten.

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