So vermeiden Eltern zu viel Kinderreklame

Vor Werbung im Netz können Kinder nur bedingt geschützt werden. Selbst viele Spiele-Apps sind laut Stiftung Warentest bedenklich.

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

09. Jul. 2017 –

Medien sind aus der Kinderwelt heute nicht wegzudenken. Neben den eigentlichen Inhalten von Videospots, Spielen oder Filmen dringt beim Konsum der Angebote auch verstärkt Werbung ins Ohr der Jungen und Mädchen. Tobias Effertz von der Uni Hamburg, Experte in Fragen des Kindermarketings, hat den Umfang dieses Phänomens bei Lebensmitteln durchleuchtet. Auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamts werden Kinder allein von dieser Branche mit wenigstens 2.777 Online-Anzeigen im Jahr konfrontiert.

Dazu kommt eine Vielzahl von Werbeaktionen, die mit Spielen, Comics oder vorgeblicher Wissensvermittlung kombiniert werden. „Eltern können im Normalfall dem Werbeausmaß nichts entgegensetzen“, befürchtet der Forscher. Das Kindermarketing finde oft am Elternhaus vorbei statt, zum Beispiel auf dem Schulweg oder während der Arbeitszeit vom Müttern und Vätern. Auch gebe es in Haushalten unterer sozialer Schichten oft kein Bewusstsein für die Folgen. Im Zusammenhang mit der Ernährung haben Ärzte und Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und ihren gesundheitlichen Spätfolgen und der auf die jungen Konsumenten zugeschnittenen Werbung festgestellt.

Ein Teil der Reklame kann durch Zusatzprogramme für den PC oder das Smartphone ausgeschaltet werden. Die oft kostenlos erhältlichen, so genannten AdBlocker filtern Anzeigen oder Banner beim Aufruf einer Seite heraus. Auch gibt es in den Einstellungen von Internetbrowsern wie Firefox von Mozilla die Möglichkeit, Po-Up-Fenster zu blockieren. Der Schutz vor unerwünschten Anzeigen ist jedoch begrenzt, wie die von der Europäischen Kommission finanzierte Initiative Klicksafe warnt: „Manche Werbeformen, Produktplatzierungen oder die Nennung von Marken und Sponsoren innerhalb von Apps, Spielen und Videos werden weiter angezeigt.“

Selbst soziale Netzwerke wie Facebook können Kinder weitgehend werbefrei betreten, wenn sie einen AdBlocker nutzen. Dazu wird auf dem Smartphone ein Browser mit der Barrieresoftware versehen. Statt über eine Extra-App auf dem Handy sollten die Kinder dann über den Browser die sozialen Netzwerke aufsuchen. Auf diese Weise bleibt die Reklame unterdrückt. Allerdings gibt es Webseiten, die danach ihre Inhalte nicht mehr oder nur noch teilweise anzeigen.

Forscher Effertz weist auf zwei weitere Schwachpunkte hin bei diesem Versuch, die Jungen und Mädchen vor Marketing zu schützen. „Nach meinen Beobachtungen sind Kinder so findig im Umgang mit ihrem Smartphone, dass Eltern hierbei wirksamen Kindermarketingschutz betreiben könnten“, merkt er an. Außerdem würden viele Eltern die Programme nicht richtig verstehen. Letzteres ist tatsächlich ein Problem. Die Filtereinstellungen sind für jemanden, der mit den Fachbegriffen nicht vertraut ist, ein Buch mit sieben Siegeln.

Auf der Klicksafe-Webseite können Eltern tiefer in die Materie einsteigen. Die Initiative hat einen knapp 40-seitigen Ratgeber mit dem Titel „Werbung und Kommerz im (mobilen) Internet“ verfasst. Die Broschüre kann unter der Adresse www.klicksafe.de/service/materialien/broschueren-ratgeber/werbung-und-kommerz-im-mobilen-internet/ kostenlos bestellt oder heruntergeladen werden. Zu den wichtigsten Tipps der Fachleute zählen neben den technischen Vorkehrungen vor allem Gespräche mit den Kindern über die Absichten der Werbetreibenden und die Bedeutung des vorsichtigen Umgangs mit persönlichen Daten.

Aufklärung der Kinder ist auch deshalb besonders wichtig, weil sich Werbung in vielfältiger Form ins Kinderzimmer schleicht. Videos oder Online-Spiele werden zum Beispiel gerne dafür genutzt. Werbung muss zwar als solche gekennzeichnet sein, doch halten sich nach Angaben der Stiftung Warentest nicht immer an dieses Gebot. „Werbung muss vom Spieleinhalt getrennt sein“, erläutert Danielle Leven von der Stiftung. Doch ein jetzt veröffentlichter Test von 50 Spieleangeboten hat Verstöße gegen diese Regel ans Licht gefördert. So landeten die jungen Spieler bei einem Klick auf einen Rahmen, in dem ein Schaf und ein Hund abgebildet waren, im App-Store, der weitere kostenpflichtige Spiele bereithielt.

„Leider können wir keines der geprüften Spiele empfehlen“, resümieren die Tester. 19 Apps schützen Kinder zu wenig vor Mobbing, weitere 19 vermischen Spiel und Werbung. „Viele verleiten oder drängen zum Geldausgeben; zweistellige Eurobeträge sind schnell weg“, heißt es weiter. Die Stiftung rät Eltern, ihre Konten in App-Stores und im Google Play Store mit einem Passwort zu versehen, damit ihre Kinder nicht in eine teure Falle tappen können. Wie das funktioniert, erklären die Verbraucherschützer unter der Adresse www.test.de/spieleapps2017.

« Zurück | Nachrichten »