Sorge um die Pflegeversicherung

Nach 2020 entstehe ein Defizit, sagt das IW Köln. Der Rat: Aufbau einer zusätzlichen kapitalfinanzierten Säule

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Von Hannes Koch

14. Jul. 2014 –

An die Zeit der eigenen Pflegebedürftigkeit denken die meisten Menschen nicht. Sollten sie aber, meint Michael Hüther, und gibt auch gleich der Politik einen Rat. Um die Finanzierung der Pflegeversicherung zu stabilisieren, müsse man baldmöglichst eine zusätzliche, kapitalgedeckte Säule in das System einbauen, empfiehlt der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln). Denn nach 2020 würden die Beiträge der Beschäftigten nicht mehr ausreichen, um die Kosten zu decken.

 

Der Hintergrund der Empfehlung: Ab 2020 gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Vermutlich wird deshalb die Zahl der Pflegebedürftigen steigen. Während heute rund 2,5 Millionen Menschen im Alter professionelle Versorgung brauchen, könnte die Zahl bis 2050 auf 3,5 bis 4,2 Millionen steigen.

 

Nach Berechnung des IW bedeutet dies, dass auch die Kosten wachsen. Derzeit gibt die Pflegeversicherung knapp 22 Milliarden Euro jährlich aus. 2050 dagegen würden 34 bis 38 Milliarden Euro fällig, so Hüther.

 

Die Frage ist, woher solche Summen kommen sollen. Heute finanzieren die Arbeitnehmer und Arbeitgeber die gesetzliche Pflegeversicherung mit jeweils gut einem Prozent des Bruttolohns. Dass das bald nicht mehr ausreicht, ist auch der Bundesregierung klar. Deswegen steigen die Beiträge in den kommenden Jahren von insgesamt zwei auf 2,5 Prozent – wobei allerdings auch Leistungen beispielsweise für Demenzkranke hinzukommen. Außerdem will die Bundesregierung einen neuen Vorsorgefonds füllen, mit dem die Versicherten gemeinsam Geld für später ansparen.

 

Beides allerdings, sagt nun das IW, werde die Fianzierungslücke nicht schließen. Für 2050 beziffert das Institut die fehlenden Mittel auf 12 bis 16 Milliarden Euro. Dieses Geld solle die neue kapitalgedeckte Säule der Pflegeversicherung bereitstellen, argumentierte Hüther. Alle Beschäftigten müssten dann verpflichtend zusätzliche Beiträge aufbringen, die private Versicherungsunternehmen auf dem Kapitalmarkt anlegen. Die Unternehmen würden bevorzugt, denn sie bräuchten keine neuen Beiträge zu entrichten. Das Prinzip wäre ähnlich wie bei der Riesterrente, die die gesetzliche Altersversorgung ergänzt. Die Riesterrente allerdings ist nicht verpflichtend.

 

Zu solchen Überlegungen sieht die Bundesregierung gegenwärtig noch keinen Anlass. „Ich gehe davon aus, dass die Pflegeversicherung für einen mittelfristigen Zeitraum - das heißt: für mehr als eine Wahlperiode - gut aufgestellt ist“, sagte Karl-Josef Laumann (CDU), der Pflegebeauftragte der Bundesregierung.

 

Nicht nur das IW Köln hält diese Wahrnehmung für kurzsichtig. Ökonom Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagt: „Um die Finanzierungslücke in der Pflegeversicherung zu schließen, muss künftig zusätzliches Geld in das System fließen.“

 

Mit Einschränkungen hält Geyer den Vorschlag der Kölner Kollegen für diskussionswürdig: „Wenn eine zusätzliche Säule kapitalgedeckter Finanzierung solide konstruiert ist, kann sie zur Stabilisierung beitragen.“ Beispielsweise müsse man darauf achten, dass die Kosten der zusätzlichen Versicherung für die Arbeitnehmer nicht zu hoch ausfielen, so Geyer. Bei der Riesterrente habe man den Fehler gemacht, die Produkte der privaten Anbieter zu wenig zu kontrollieren.

 

Der DIW-Ökonom spricht sich aber ebenso dafür aus, auch andere Ansätze zur künftigen Finanzierung der Pflegeversicherung zu prüfen. „Alternativen wie die Bürgerversicherung sollte man nicht ausblenden,“ sagt Geyer. Bei dieser Variante müssten nicht alleine die Arbeitgeber und Arbeitnehmer die zusätzlichen Kosten schultern, sondern auch bislang begünstigte Gruppen wie Beamte, Selbstständige und Bezieher hoher Einkommen würden in die Sozialversicherung einbezogen.

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