• Beim WEF in Davos. Foto: Koch

Sorgenvolle Blicke zum fliegenden Drachen

In Davos betreibt China eine Charme-Offensive. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Wirtschaftsminister Robert Habeck grenzen sich ab. Dieser organisiert wirtschaftliche Unterstützung für die Ukraine.

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Von Hannes Koch

17. Jan. 2024 –

Vorschläge zur Güte machte der chinesische Ministerpräsident am Dienstag beim Weltwirtschaftsforum. Die Welt möge sich doch zusammenraufen und gemeinsam an der Entwicklung neuer Technologien arbeiten, etwa zum Schutz des Klimas, sagte Li Qiang. Politikerinnen und Politiker des Westens wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) blieben jedoch skeptisch.

Am zweiten Tage des diesjährigen Wirtschafts- und Politikgipfels in Davos stand die Weltpolitik im Mittelpunkt – erstens das Verhältnis zwischen Europa und China, zweitens die Reaktion auf den seit zwei Jahren dauernden Krieg Russlands gegen die Ukraine. Trotz versöhnlicher Versuche traten die Kontroversen zwischen den Blöcken USA und Europa einerseits, China andererseits deutlich zutage.

Fünf Vorschläge für eine bessere wirtschaftliche Kooperation zum gegenseitigen Nutzen hatte der chinesische Spitzenpolitiker auf dem Zettel, als er vor mehreren hundert Zuhörerinnen und Zuhörern im großen Saal des Kongresszentrums von Davos sprach. Dazu gehörten eine neue „makroökonomische Koordinierung“, was beispielsweise die Zusammenarbeit von Zentralbanken bedeuten könnte, und die Stabilisierung der Lieferbeziehungen zwischen China und anderen Staaten. Sonderlich detailliert waren diese Vorschläge allerdings nicht. Li Qiang warb, dass in China bald das Jahr des Drachen beginne, von dem man Kraft und Energie erhoffe. Für die Welt könne 2024 zum Jahr des „fliegenden Drachen“ werden, wenn man es richtig anstelle.

China sei eine offene Volkswirtschaft, betonte der Ministerpräsident, wolle freie Marktwirtschaft praktizieren und andere Länder ökonomisch nicht diskriminieren. Er forderte Multilateralismus im Sinne der Charta der Vereinten Nationen und wandte sich gegen „einseitige“ Regeln, die manche Regierung bevorzuge. Ohne die USA oder Europa zu nennen, waren das in freundliche Worte verpackte Spitzen gegen den Westen, dem Li Qiang durch die Blume unter anderem die Diskriminierung chinesischer Produkte vorwirft. China ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, mittlerweile die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde hinter den USA und vor Europa.

Dass westliche Politiker die internationale Lage entgegengesetzt interpretieren, kam auch an diesem Tag in Davos zum Ausdruck. Grundsätzlich gehen viele in Brüssel, Berlin und Washington davon aus, dass China internationale Märkte dominieren wolle, etwa den für Klimaschutz-Technologien, und anderen Ländern politische Abhängigkeiten oktroyiere.

So betonte Habeck eine konsequente Haltung gegenüber dem großen Konkurrenten. Europa müsse resilienter, also ökonomisch unabhängiger, werden, sagte der Wirtschafts- und Klimaminister. Dabei „kommen wir in der EU voran“, so Habeck am Morgen vor dem Kongresszentrum bei minus zehn Grad. Als Beispiel nannte er das geplante EU-Gesetz für eine klimaneutrale Industrie (Net-Zero Industry Act). Dieses soll dafür sorgen, dass zentrale Kohlendioxid-freie Technologien wie Batterien für E-Autos, Solarzellen und Elektrolyseure für grünen Wasserstoff zum guten Teil aus heimischer, europäischer Produktion kommen.

Auch EU-Politikerin von der Leyen wollte sich nicht umgarnen lassen. „In Europa gibt es fast 200.000 Software-Ingenieure mit Erfahrung in Künstlicher Intelligenz (KI). Das ist eine größere Konzentration als in den USA und China“, antwortete sie auf Li Qiang im Kongresszentrum. Europa müsse den Weg zu einem verantwortungsvollen Einsatz von KI weisen, fügte sie mit Hinweis auf die erste weltweite Regulierung hinzu, die die EU in diesem Bereich plant.

Misstrauen herrscht im Westen auch, weil China den russischen Krieg gegen die Ukraine zumindest nicht kritisiert, vielleicht sogar unterstützt. Von der Leyen: „Die Ukraine benötigt Planbarkeit bei der Finanzierung im gesamten Jahr 2024 und darüber hinaus.“ Die Ukraine könne im Krieg gegen Russland bestehen, betonte sie. „Aber wir müssen sie in ihrem Widerstand weiter stärken.“

Habeck versuchte am Dienstag, solchen Worten Taten folgen zu lassen. Mit deutschen Unternehmen sprach er in Davos über deren mögliche Investitionen in der Ukraine, um die Wirtschaft dort zu stabilisieren und die Produktion von Waffen zu erhöhen. Außerdem drehten sich seine Gespräche um die Wiederaufbaukonferenz, die im kommenden Sommer in Berlin stattfinden soll. Investitions- und Exportgarantien für deutsche Vorhaben in der Ukraine hat die Bundesregierung bereits eingeführt, wodurch die Firmenaktivitäten dort stark zugenommen haben.

„Wir sind entschlossen, unsere Unterstützung für die Ukraine aufrechtzuerhalten, und wir arbeiten sehr eng mit dem Kongress zusammen, um dies zu erreichen“, sagte auch US-Außenminister Antony Blinken bei seinem Treffen mit Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskkyj in Davos.

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