Sozial reden, aber kneifen
Kommentar zum Textilbündnis von Hannes Koch
16. Okt. 2014 –
Die Ohrfeige gebührt nicht Entwicklungsminister Gerd Müller, sondern den Verantwortlichen der großen Textilunternehmen. Diese weigern sich, Müllers Plan für bessere soziale und ökologische Bedingungen in den weltweiten T-Shirt- und Jeans-Fabriken zu unterschreiben.
Trotzdem markiert die Initiative des CSU-Politikers einen Fortschritt. Denn erstmals versucht die Bundesregierung Forderungen durchzusetzen, die Bürgerrechtsorganisationen seit Jahren erheben: existenzsichernde Löhne und Begrenzung der Überstunden für die Beschäftigten in den globalen Zulieferfirmen. Indem sie über diesen Plan mitverhandelten, haben auch die Textilkonzerne immerhin einen Schritt in die Richtung getan, den Existenzlohn als Ziel zu akzeptieren.
Gescheitert ist Müller jedoch damit, die Konzerne zur verbindlichen Mitwirkung zu drängen. Dass die Unternehmen sich verweigern, hat vornehmlich betriebswirtschaftliche Gründe. Höhere Sozialstandards und effektive Kontrollen in tausenden Zulieferfabriken sind machbar, kosten allerdings viel Arbeitskraft und Geld. Potenziell schmälern sie auch den Gewinn. Das ist immer noch eine schlechte Nachricht für die 08-15-Manager bei Adidas, Aldi, Metro, Otto, Puma und den anderen Unternehmen mit den tollen Nachhaltigkeitsberichten. Da stiften die Chefs gerne Professuren für Umwelt- und Soziales - wenn es zum Schwur kommt, kneifen sie.
Um die Konzerne zur Unterschrift zu bewegen, sollte Müller deshalb jetzt das Gesetzgebungsverfahren ankurbeln. Ohne klare Regeln, die pakistanische Textilarbeiter vor deutschen Gerichten auch einklagen können, passiert zu wenig. Auf dieses Gesetz allerdings, so ist zu befürchten, muss man lange warten. Und so steht auch Gerd Müller wieder im Mittelpunkt der Kritik.